Einleitung: | Part I |
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Kolumne 47: (Zu) lang ist's her - Part XI
Mit kleinen Schritten bewegen wir uns allmählich auf das Ende des Amiga-500-Bereichs dieser Kolumnen-Serie zu. Nichtsdestotrotz schlummern im elften Part keinesfalls Restposten, sondern weniger offensichtliche Perlen meiner nostalgischen Gaming-Welt. So unscheinbar die kommenden vier Titel auch sein mögen, so sehr haben mich diese - wie die vorherigen Titel - auf ganz besondere Arten und Weisen geprägt. Ab geht's mit Part XI von "(Zu) lang ist's her".
'Test Drive II' (Amiga/1989) - Der Start meines Faibles für's Fahren und die Geburtstunde der "Sinnlos-Touren"
Wer sich meine Äußerungen bezüglich von 'Test Drive II' durchgelesen hat, dem ist wohlmöglich aufgefallen, dass dem Titel den Ursprung meines Faibles für's Autofahren nicht alleinig zurechnen möchte. Ein zweiter Titel namens 'Road Rash' ist nämlich daran definitiv gleichermaßen nicht unbeteiligt. Dabei geht es dort eigentlich darum, Motorrad zu fahren. Es gab einige Rennspiele (ganz egal ob nun mit Auto oder Motorrad), die eine ähnliche Art nutzten, eine Fahrsimulation erlebbar zu machen. Meist pappte man dafür das Auto in die Bildmitte und bewegte beim Gasgeben einfach die Welt unter dem Fahrzeug. Das Gefährt blieb dabei stets fokussiert an Ort und Stelle – wie es beispielsweise bei der 'Lotus Turbo Challenge'- oder 'Top Gear'-Reihe war. Selbst bei Bergen veränderte das Fahrzeug seine Position nicht und verriet damit, nicht wirklich Teil der Welt zu sein. Mein Verstand fiel auf diesen Trick nicht so richtig rein. 'Road Rash' machte in dem Punkt alles richtig: Das Motorrad ist direkt in die Welt projiziert und wirkt deutlich platzierter. Man spürte jedes Gefälle. Das Bike war außerdem nicht in der Bildmitte angekettet und somit schien das eine schlüssige gemeinsame Welt zu sein. Die Idee, in 'Road Rash' statt der üblichen Rundkurse Strecken von A nach B zu verwenden, tat den Rest. Außerdem gab's noch Polizei, Gegenverkehr und sogar kreuzende Straßen. Eben alles, was die Konkurrenz nicht besaß. Ich liebte das Spiel und schwang mich daher nur zu gern Stunde um Stunde auf das gepixelte Bike, um durch die Gegend zu brettern. Keine Ahnung, wie oft ich den Titel durchgespielt habe, aber es existiert keine Rennsimulation, mit der ich in meinem Leben mehr Zeit verbrachte – so viel ist sicher. Und der Zauber besteht noch immer: Natürlich startete ich 'Road Rash' für diese Kolumne einmal mehr, um die Screenshots zu knipsen und es macht mir immer noch genau so viel Spaß wie in meiner Jugend. Es spielt sich prima und grafisch ist das Ganze gut gealtert.
Die Motorrad-Hatz hob sich übrigens generell von anderen Rennspielen ab. Nicht nur, dass hier Wetten auf den Sieger abgeschlossen wurden, um entsprechende Preisgelder zu kassieren – der Gewaltgrad sollte ebenso ein Alleinstellungsmerkmal sein. Drückte man den Joystick nach vorne, gab man wie gehabt Gas, drückte man aber den Feuerknopf, schwang der Fahrer plötzlich die Fäuste oder das Bein, um neben ihm fahrende Biker von ihrem Gefährt zu prügeln. Selbst Schlagwaffen gibt es und kein Rennen glich dem anderen. Stets musste mit Bedacht auf den normalen Straßenverkehr, die Polizei und die Gegner gleichermaßen geachtet werden - und das alles bei einem Heidentempo. Voll-Profis nutzten derweil die kurzen Gelegenheiten aus, die Konkurrenz in Kurven zu rammen, um ihnen das Gleichgewicht zu nehmen oder mit Schmackes in den Gegenverkehr zu befördern. Eine coole Idee! Man hat jederzeit voll zu tun, das Rennen mit all seinen Widrigkeiten letztlich für sich zu entscheiden.
Das Fahren und die Freiheit boten allerdings die wirklichen Reize für mich. Ich denke, ich spielte 'Road Rash' aufgrund dessen in meiner Jugend rauf und runter. Allerdings war die Ingame-Musik derart schwachbrüstig, dass ich irgendwann auf den reinen Motorensound umstellte. Der klang zwar authentisch, das Heulen des Bikes nervte aber ebenso irgendwann, da die Drehzahlen bei Top Speed stagnierten und man ununterbrochen denselben Ton vernahm. Also schaltete ich auch diese Soundquelle irgendwann ab und legte mir stattdessen eine CD in meine Stereo-Anlange. In Endlosschleife lief dann das Lied „Flame - Next Time (I Promise)“ und begleitete mich auf meinen virtuellen Fahrten durch die gepixelte USA. Das Lied ist seitdem für mich untrennbar mit 'Road Rash' verschweist. Sehe ich das Spiel, höre ich die plötzlich die Musik. Lausche ich der Musik, sehe ich das Spiel vor meinem inneren Auge. Schöne Musik, einfach nur gen Horizont fahren und sich endlos frei fühlen - heute mache ich das mit einem echten Auto. 'Road Rash' ist noch immer ein richtig tolles Spiel, das im Laufe der Jahre eine Scharr an Nachfolgern hinter sich herzog und Nullkommanichts von seinem Spaßfaktor verlor.
'Road Rash' (Amiga/1991) - Einfach nur rasen und dreschen, was die Drehzahlen hergaben
'Lionheart' ist zweifelsohne einer dieser Spiele, bei denen man sich zurecht fragte, wie das überhaupt möglich sein konnte. Grafisch zog man nämlich so ziemlich alle Register und entfachte damit so manche Diskussionen. Ich habe in dieser Kolumne bereits zuhauf erwähnt, dass der Amiga 500 mit seinem OCS- bzw. ECS-Chipset maximal 32 Farben aus einer Farbpalette von 4096 gleichzeitig darstellen konnte – zumindest im „Default“-Modus. Findige Programmierer fanden da jedoch so manchen Trick heraus, den kleinen Kasten zu mehr zu bewegen. So auch die kleine Schmiede 'Thalion Software' aus Deutschland. Mittels Copper- und Rastereffekten ergaunerten die sich gleich reihenweise zusätzliche Farben aus dem Amiga 500. Allein der erste Level genehmigte sich durch diese Tricks zum Teil knapp 700 verschiedene Farbtöne und bot damit grundlegend sogar mehr als spätere AGA-Titel für den Amiga 1200/4000, dessen Grafikchip an das DOS-VGA erinnerte und mit 256 Farben auf dem Bildschirm in diesem Fall sogar weniger bot. Stöbert man sich durch die Weiten des Internets und liest sich Diskussionen zu 'Lionheart' durch, fallen dann sogar Sätze wie „Der Titel sieht besser als so mancher AGA-Titel aus“. Und das kommt wahrlich nicht von ungefähr. Es ist einfach absolut beeindruckend, was die deutschen Mannen hier auf den Screen bringen – und obendrein auch noch absolut ruckelfrei. Dem aber noch nicht genug, selbst das hochgradig edle Parallax-Scrolling, bei denen verschiedene Hintergrundebenen unterschiedlich schnell bewegt werden, um einen Tiefeneffekt zu erzeugen, packten die Macher auch noch obendrauf. Somit darf wahrscheinlich relativ unbekümmert gesagt werden, dass der Titel zum Erscheinungsjahr 1993 außer Konkurrenz gewesen und wohlmöglich der optisch beeindruckendste überhaupt für den Amiga 500 war. Normalerweise hatte derart aufwendige Grafik im Computer-Business ihren Preis und verlangt nach potenter Hardware. Nicht aber 'Lionheart': Ein Standard-Amiga-500 mit 1 MByte Arbeitsspeicher war schon alles, was man benötigte und das fand sich in so ziemlich jedem Spieler-Haushalt dieser Zeit. Wer übrigens mehr Power unter der Haube hatte, durfte sich auf zusätzliche Effekte freuen.
Der nächste Punkt betrifft den deutschen Musiker Matthias Steinwachs, den zu Unrecht nur die Wenigsten kennen. Ähnlich wie Soundmagier Chris Hülsbeck war Herr Steinwachs nämlich ein ganz Großer im Musikgeschäft des Computerspielbereichs. Allerdings schwamm er niemals auf der Welle Herrn Hülsbeck oder Herrn Stember mit, die typisch elektronische Melodien entwarfen. Matthias Steinwachs' musikalische Ergüsse lagen einer vollkommen anderen Machart zugrunde. Ich weiß eigentlich nicht, wie ich das genau beschreiben soll, doch er ging mit seiner Arbeit deutlicher in Richtung orchestraler Musik – und dabei nutzte er ganz typische virtuelle Instrumente, die man bei jedem Spiel, das er vertonte, wiedererkannte. Die Mixtur aus gefühlvollen Melodien und großen pathetischen Klängen imponierte selbst erfahrenste Amiga-Musikliebhaber. Einfach unverwechselbar. Seit 1991 war er deshalb auch der Haus- und Hof-Komponist von 'Thalion Software' und prägte deren Spiele auf eine ganz besondere Art und Weise.
Genug gelobt, denn zu Meckern gab es bei 'Lionheart' ebenfalls etwas: Allen voran der unverschämt hohe Schwierigkeitsgrad in Zusammenspiel mit einer nicht wirklich geglückten Steuerung. Meines Erachtens sollte man nicht einmal daran denken, einen der beiden höheren Schwierigkeitsgrade auch nur anzuschauen: Zur Wahl stehen „Normal“, „Schwer“ und „Lionheart“. Doch eigentlich verbergen sich hinter den Dreien komplett andere Skill-Levels. „Normal“ ist bereits happig und „Schwer“ pendelt gar in Richtung extrem anspruchsvoll. „Lionheart“ ist zu guter Letzt der absolute Untergang, selbst für den versiertesten Zocker. Grundsätzlich waren hohe Schwierigkeitsgrade in den 90ern nichts Ungewöhnliches, aber der Titel 'Lionheart' geht meines Erachtens zu weit, vor allem in Hinblick auf die Länge und das Nichtvorhandensein von Speicherpunkten oder einem Passwortsystem. Wer das Zeitliche segnet, darf jedes Mal komplett von vorne beginnen und man darf mir gern glauben, dass das „Game Over“ im Nu erreicht ist. Gerade einmal zwei Leben stehen zur Verfügung und (zum Start) drei Herzen, die im Großen und Ganzen die Anzahl der Treffer bis zum Ableben widerspiegeln. Erhöhen kann man die zwar, indem man fleißig Bonus-Items sammelt, doch dafür sind jedes Mal 100 Stück vonnöten. Soweit werden die Meisten wahrscheinlich nie gekommen sein.
"Ein kleiner Wunsch zum Schluss: Moege all denen, die sich dieses Game kopiert haben, der Amiga unter den Haenden verfaulen."
– Matthias Steinwachs, Komponist
(aus den Credits von 'Lionheart')
'Lionheart' (Amiga/1993) - Entwickler verabschiedete sich unwissentlich durch die hohe Zahl der Raubkopierer mit einem echten Knall im Amiga-Sektor: Grafisch und akustisch war 'Lionheart' nämlich eine absolute Bombe
Ach ja ‚Battle Chess‘: Eigentlich einer dieser Titel, mit dem damals jeder irgendwie in Kontakt kam. Für mich geht er Hand-in-Hand mit wärmenden, sentimentalen Erinnerungen an meinen Vater während meiner Kindheit und Jugend. Ich sehe ihn noch heute vor mir, wie er sich im regelmäßigen Takt immer wieder an das Schachspiel setzte und mal so nebenbei den höchsten Schwierigkeitsgrad im Vorbeigehen packte. Schach war in meiner Kindheit ziemlich omnipräsent – ich war sogar einer der „coolen Draufgänger“, der sich freiwillig im schulinternen Schach-Club anmeldete. Jeden Dienstagabend hieß es dann die grauen Hirnzellen zu trainieren und gegen die einzelnen Mitglieder anzutreten. Schach kann tatsächlich sehr interessant sein. Die größte Stärke ist hierbei vor allem die taktische Komponente. Seinen Gegenüber langsam vorzuführen, während man eigentlich im Kopf schon zwei Züge weiter ist und den Triumph plant, ist unbezahlbar. Kraft kann man sich antrainieren, doch jemanden im Kampf der grauen Zellen zu schlagen, ist eine ganz besondere Art von Sieg. Zumindest in der Theorie: Leider gestaltete sich das normale Schach für mich oft schlicht als zu langweilig. Wenn der Gegner bereits beim zweiten Zug minutenlang nachdenken muss, stärkt das nicht unbedingt meinen Spielspaß und irgendwann waren meine Nerven wundgescheuert. „Bist Du noch wach?“, kam mir in diesem Zusammenhang oft zynisch über die Lippen, wenn ich meinen Gegner anschaute. Blitzschach gefiel mir da schon besser, bei dem jeder Spieler lediglich einen kurzen, begrenzten Zeitraum bekam, den nächsten Zug durchzuführen. Von daher konnte ich mich mit Schach am Computer direkt anfreunden: Der Rechner braucht einfach nicht so lange für seine Züge.
‚Battle Chess‘ erweckte allerdings meine Aufmerksamkeit zu Beginn nicht dadurch, ein Schachspiel zu sein, sondern durch das schräge Konzept. Jede Schachfigur war nämlich komplett animiert. Besonders bei Kämpfen ein echter Spaß, wenn der golemartige Turm den winzigen Bauern unter sich zerschmetterte. Die erste Zeit werde ich daher den Titel wohl so gespielt haben, wie viele andere meiner Altersgenossen: Jeder gegen jeden. Sämtliche Kampfanimation wollten immerhin mal gesehen werden. Später spielte ich dann auch am Amiga ernsthaft, switchte jedoch meist in die klassische Ansicht – ohne die Kampfanimationen. Zu groß war sonst der Reiz, bewusst Kämpfe zu erzwingen und nur für den kurzen Spaß die Taktik außen vor zu lassen. Außerdem wiederholte sich das Gekloppe recht schnell. Im 2D-Modus ging's eben flotter, wenn auch unspektakulärer. Schwierigkeitsstufe 3 (es gab 10, begonnen bei Nummer 0) sollte für mich die höchste sein, bei der ich den Amiga besiegen konnte. Bei Stufe 4 und aufwärts schaffte es die siliziumbasierte „Freundin“ nämlich immer, mich irgendwie hinterrücks zu überrumpeln. Für meinen Vater aber alles nur kalter Kaffee – nicht einmal die höchste Stufe 9 war für ihn ein Problem. Ich erinnere mich noch, dass ich mich gern neben ihn setzte und mir seine Taktiken detailliert erklären ließ – hochgradig interessant. Er erahnte die kommenden Züge des Gegners und sollte zumeist recht behalten. Letztlich besiegte ihn meines Wissens nach niemals irgend ein Schachspiel. Es war bemerkenswert, ihm dabei zuzuschauen. Ein wahrer Taktiker eben, der sich bei aller Profession trotzdem nie das hämische Grinsen verkneifen konnte, wenn der Gegner chancenlos die Niederlage über sich ergehen lassen musste oder in gemeinen Zwickmühlen feststeckte.
Abseits des Amigas spielten aber vor allem meine Brüder und ich regelmäßig mit echten Spielfiguren gegen ihn. Es gab da zahlreiche Abende, bei dem das rustikale Schachbrett hervorgekramt und die eine Lampe über dem Tisch eingeschaltet wurde, welche diesen weich-gelblichen Schein erzeugte - eine extrem angenehme Atmosphäre. Während der Züge hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Mein Vater besaß außerdem so eine gerissene Art, den Gegner in die Psyche zu reden: Kaum tätigte man seinen Zug, henkelte sich mein Dad direkt noch vor‘m Loslassen der Figur ein und meinte in diesem ganz speziellen Ton: „Bist Du wirklich sicher, dass Du das tun willst?“ Sofort war man vollkommen verunsichert und schaute, was man da übersehen haben könnte. Mit der Zeit merkte man dann zwar, wann er bluffte, aber er sollte stets mein ganz persönlicher Schach-Nemesis bleiben. Später habe ich gegen viele Freunde, Bekannte oder Familienmitglieder siegreich gespielt und in deren Revanchen natürlich ebenfalls genügend Niederlagen einstecken müssen. Meinen Vater habe ich aber niemals besiegen können und war froh, dass er mich nie absichtlich gewinnen ließ. Ich wollte ihn aus eigener Kraft besiegen und obgleich mir dies nie gelang, finde ich es keineswegs schlimm, in ihm meinen Meister gefunden zu haben.
'Battle Chess' (Amiga/1988) - Geniale Idee: Die Kloppereien der Spielfiguren waren das stille Highlight des Schachspiels
Fortsetzung in der nächsten Kolumne …
Falko Tetzner _ 30.09.2016
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