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Kolumne 41: (Zu) lang ist's her - Part VIII
Kolumne acht knüpft an die Tugenden der Vorepisode an und wir machen ohne Umschweife direkt mit einigen sehr interessanten Adventures weiter. Darunter findet sich unter anderem auch ein Mix, der sich nur teilweise aus unserem Lieblingsgenre bediente. Das letztgenannte Spiel ist derweil beinahe gleichmal eine richtige Kuriosität, das wohlmöglich kaum jemand überhaupt auf dem Radar hatte. Doch nicht so vorschnell: Den Beginn macht erst einmal einer der ganz großen Klassiker überhaupt ...
The Secret of Monkey Island
Was bleibt einem bei diesem Adventure überhaupt noch zu sagen, was nicht in unzähligen Medien immer wieder vordiktiert wird? Mit ‚The Secret of Monkey Island‘ sprechen wir von nichts anderem als einen der ganz großen Wendepunkte des Genres. Es ist wie Darth Vaders „Ich bin Dein Vater“-Exposition oder Homer Simpsons "Nein!": mediale Allgemeinbildung. Wer es nicht kennt, ist entweder viel zu jung dafür oder hat sich vor vielen Jahren entschlossen, den Großteil seines Lebens abgeschottet auf einer einsamen Insel zu verbringen. Es geht dabei gar nicht mal darum, dass man den ganzen Film oder die ganze Serie dazu kennt. Sondern, dass es eben auch solche Leute kennen, die es eigentlich nie gesehen haben und dennoch wissen, wovon gesprochen wird. Genau dieses Phänomen hat ‚The Secret of Monkey Island‘ fast unsterblich gemacht: Jeder kennt es irgendwie, wenn auch nur vom Hörensagen.
Doch warum ist das so? ‚Lucasfilm Games‘ (vor der Umbenennung in ‚LucasArts‘ im Jahre 1992) machte hier nichts weiter als echte Pionierarbeit zu leisten - vor allem für das Genre der Adventurespiele. Ähnlich wie im Film, als ‚Star Wars‘ so unzählige Lichtspielhausliebhaber in seinen Bann zog, schaffte es auch ‚The Secret of Monkey Island‘ ein Fundament zu schaffen, das mittlerweile so oft kopiert oder an dieses angelehnt wurde, dass es kaum noch zu zählen ist. Außerdem verband es sich mit dem Namen des Schöpfers - Ron Gilbert - in so einem Maße, dass es gar keine Rolle spielt, ob da nun schon 25 Jahre ins Land gestrichen sind. Vor allem an seiner Person sieht man nämlich überdeutlich, was dieses Adventure Spielern weltweit eigentlich bedeutet: Egal, was Ron Gilbert heute anfasst, er zieht augenblicklich ein hohes mediales Interesse auf sich. Und es scheint obendrein so, dass sein Name durch absolut nichts beschmutzt werden kann - eine Art lebenslange Immunität. Denn als er im Jahr 2010 das Rollenspiel ‚DeathSpank‘ veröffentlichte, interpretierten Journalisten dieser Welt gar Qualitäten hinein, die überhaupt nicht da waren: Von einem „Mix aus ‚Diablo‘ und ‚Monkey Island‘“ war hier gar die Rede und ich frage mich allen Ernstes, wo zum Geier hier Anleihen aus der Affeninsel zu finden sein sollten. Vor allem bei einem Titel, in dem man als Ritter, Zauberer und dergleichen reihenweise Gegner verprügelt. Der Humor war nicht schlecht, zugegeben, aber reicht das schon für eine Verbindung zu ‚Monkey Island‘? Ich hatte mir dieses Spiel jedenfalls angeschaut und muss ohne meine riesige Nostalgiebrille sagen, dass der Titel letztendlich nicht mehr und nicht weniger als ein netter Zeitvertreib war. Langzeitmotivation oder gar einen Platz in den ehrwürdigen Hallen meiner Hirnwindungen wird das RPG derweil wohl nicht bekommen.
An Adventure-Meister Ron Gilbert wollen die Fans dieser Welt jedenfalls kein böses Haar lassen. Und als der dann mit ‚Thimbleweed Park‘ an einem neuen, echten Adventure zu basteln begann, das obendrein dem coolen Gedanken nachjagd, es würde sich um einen Retro-Titel handeln, den man beim Aufräumen auf dem Speicher gefunden hat, ist das Interesse einmal mehr riesengroß. Ob er dieses Versprechen auch halten kann, ist zweitrangig, denke ich. Mögen werden es die Spieler wohl dennoch. Alleine der Gedanke, dass Guybrushs Schöpfer nach so langer Zeit wieder am Werke war, ist Qualitätssiegel genug. Das kommt nicht von ungefähr, etablierte Ron Gilbert doch mit ‚The Secret of Monkey Island‘ ein System, das sich nachhaltig auswirken sollte. Nein, nicht das SCUMM-System, denn das gibt es bereits seit ‚Maniac Mansion‘. Ich spreche darauf an, dass Herr Gilbert schon immer die Adventures des Konkurrenten ‚Sierra‘ insoweit kritisierte, dass die zahlreichen Sackgassen und Tode der Spielfigur nicht unbedingt förderlich für den Spielspaß waren. ‚Monkey Island‘ setzte dem endlich ein Ende, was sich bei mir fast wie ein Befreiungsschlag anfühlte. Von daher waren die ‚LucasArts‘-Adventures für mich immer deutlich vor den Sierra-Veröffentlichungen. Der größte Knackpunkt an Sackgassen ist schlicht der Fakt, dass das Spiel nur in den wenigsten Situationen überhaupt das falsche Einbiegen in eine Einbahnstraße kenntlich macht. Da man einen alten Spielstand laden musste, um den Fehler wieder auszubügeln, galt dann als besonders bescheiden, wenn der Fehler erst im späten Spielverlauf Auswirkungen hatte. Denn dann waren gleichmal mehrere Stunden sinnlos in Land gestrichen. Mit ‚The Secret of Monkey Island‘ konnte man sich hingegen entspannt zurücklehnen und in aller Ruhe rätseln – ohne Stress und ohne Zeitdruck. So und nicht anders sollte ein Adventure sein.
Über die Story muss wahrscheinlich kaum ein Wort verloren werden, aber zugunsten der Vollständigkeit darf das natürlich in so einem Artikel keinesfalls fehlen: Der Jüngling mit dem schrägen Namen Guybrush Threepwood möchte gern Freibeuter werden, weshalb er auf der karibischen Insel Melêé Island die drei „schrecklich wichtigen“ Piraten darum ersucht, ihn zu selbigem zu machen. Doch der Ritterschlag verlangt nicht weniger als drei Prüfungen: So muss der Schwertmeister der Insel im Kampf besiegt, ein Schatz geborgen und das Idol der vielen Hände aus der Gouverneurs-Villa stibitzt werden. Beim Einbruch in das Herrenhaus lernt Guybrush dann unverhofft seine große Liebe Elaine Marley kennen, die schon so manchem Freibeuter den Kopf verdrehte. Allen voran dem gefürchteten Geisterpiraten LeChuck. Vor dem zittert mal so eben die ganze Karibik und Guybrush wird bald mit der Aufgabe konfrontiert werden, sich diesem Nemesis auf der namensgebenden Insel Monkey Island zu stellen, da der kurzerhand das Liebchen Elaine dorthin entführt. Bis Guybrush letztlich seine Liebe wieder an seiner Seite hat, vergingen für mich jedenfalls einige echt schöne Grübelabende und -nachmittage, an die ich mich immer wieder sehr gern mit diesem unsagbar wohligen Gefühl in der Brust erinnere. Ein damaliger Klassenkamerad und guter Freund spielte es parallel ebenfalls durch und es hat schlicht einen Heidenspaß gemacht, gemeinsam die beiden fiktiven karibischen Insel zu erkunden. Allerdings wird das betitelte „Geheimnis“ von Monkey Island im Laufe des Adventures eigentlich weder gelüftet, noch findet es überhaupt nochmals direkte Erwähnung. Somit wird seit 1990 in der Adventure-Gemeinde herumspekuliert, was der Kiel hergibt. Indirekt sollte die Auflösung zwar mit Teil vier – ‚Flucht von Monkey Island‘ – erfolgt sein, aber so richtig zufrieden geben, wollten sich die Fans damit aber nicht. Das liegt nicht nur daran, dass Teil vier nicht mehr von Ron Gilbert als Leitwolf konzipiert wurde, sondern auch, dass er eigentlich niemals vorhatte, das Geheimnis von Monkey Island zu verraten. Der Titel klang wohl einfach zu gut, als dass er hätte darauf verzichten wollen. Es gab also niemals ein wirkliches Geheimnis der Affeninsel.
Mir hat sich diese Frage, ob es nun das "Secret of Monkey Island" gibt oder nicht, niemals gestellt. Denn auch so war hier ein Geniestreich oberster Güte geglückt. Vor allem die Slapstick-Anleihen und den Disney-Charakter, die das Adventure bot, war einer der großen Glanzpunkte: LeChuck zeigt sich zwar als der böse Nemesis, doch wirklich Furcht oder gar Angst konnte man vor ihm nicht haben. Auch seine Geistercrew sollte ohne paranormalen Hintergrund von echten Piraten der Karibik nur müde belächelt werden. Guybrush hingegen ist ein Tollpatsch, mit dem man sich vielleicht gerade deswegen unglaublich gut identifizieren kann. Und eben der schaffte schlussendlich dann auch noch irgendwie LeChuck zurück in die Hölle zu befördern. Elaine Marley verkörpert zu guter Letzt ein klein wenig den „Nerd“-Traum, bei dem sich das hübsche Mädel für den Tollpatsch interessiert. Durch die Bank strahlte das Adventure jedenfalls einfach eine sympathische Gemütlichkeit aus, was obendrein durch die schicken Locations in warmen Blautönen auf Melêé Island absolut gekonnt unterstrichen wurde. Wer wollte bitteschön nicht auf dieser karibischen Insel leben? Werden dort mal Zimmer vermietet, bin ich der Erste, der dort eincheckt. Da stört es mich auch nicht, dass es dort immer nur abends 10:00 Uhr sein wird...
‚The Secret of Monkey Island‘ ist meiner Meinung nach zweifelsohne einer der großen „Big Bangs“ in der Spielelandschaft gewesen. Grafisch war das Adventure 1990 auf dem Amiga obendrein ein Hammer und pendelte sich zwischen der für DOS-PC erschienen EGA- und der später folgenden VGA-Version ein. Allerdings fiel mir der Rotstich, den sämtliche Hautfarben in meiner für die Screenshots verwendeten Amiga-Version besitzen, erst beim neuerlichen Segeln durch die virtuelle Karibik auf. Was ich nämlich erst viel später herausfand: Es existieren zwei Amiga-Fassungen, wobei eine - die früher erschienene - eine falsche Farbpalette verwendet, bei der sämtliche Hautfarben mit starkem Rotstich dargestellt werden. Zu meinen Amiga-Zeiten besaß ich jedenfalls die mit den korrekten Farben. Nichtsdestotrotz gab es davon abgesehen zum Zeitpunkt des Releases kein schöneres Amiga-Spiel weit und breit. Musikalisch heuerte man gar Soundmagier Chris Hülsbeck an, der sich zwar komplett an die Vorlagen von Michal Land hielt, doch mit seinem hausgemachten Soundsystem eine solche Qualität aus dem Soundchip Paula herausholte, dass man kaum seinen Ohren glauben mochte. Vor allem reden wir hier von 1990: Da waren noch genug Gamer ausschließlich mit dem C64 oder PC-Soundspeaker-Gepiepse unterwegs. Was bleibt mir also noch zu sagen? Ich liebe dieses Adventure einfach, habe jede Sekunde in der virtuellen Karibik aus Leibeskräften genossen und schier unzählige Male LeChuck den Gar ausgemacht. ‚The Secret of Monkey Island‘ darf jedenfalls behaupten, zweifelsohne die für mich mit allerschönsten Spiele-Erinnerungen überhaupt für sich verbuchen zu können. Danke dafür, Ron Gilbert, Vielen Dank!
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'The Secret of Monkey Island' (Amiga/1990) - Hier müssen wohl eigentlich keine Worte mehr gesagt werden. Für nicht wenige Adventure-Puristen war das eines der ersten großen Meilensteine und nicht zuletzt der absolute Durchbruch für die Schmiede von Star-Wars-Schöpfer George Lucas
Dune
Das 1992 erschienene Spiel war zweifelsohne einer der ersten Titel überhaupt, bei dem eine Klassifizierung für ein bestimmtes Genre nicht mehr funktionierte, fanden sich doch Rollenspiel-, Echtzeitstrategie-, Wirtschafts- und nicht zuletzt gar Adventure-Elemente in dem Stück Software. Der Genre-Mix war geboren. Als Grundlage hielt der gleichnamige Film ‚Dune‘ (dt. Titel „Der Wüstenplanet“) von David Lynch aus dem Jahre 1984 her beziehungsweise die Buchvorlage von Frank Herbert. Beides kannte ich in der Tat zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, hatte mir jedoch zumindest den Film später mal angeschaut. Die doch recht ruhige und beinahe melancholische Stimmung des Streifens hielt meine Begeisterung aber im Zaum. Das Spiel erzählt nun grundlegend die dortige Geschichte gekonnt nach, jedoch auf eine deutlich frischere Art und Weise.
Das 23. Jahrtausend (nicht Jahrhundert) ist angebrochen und der Wüstenplanet Arrakis hält die Menschheit in Atem: Denn nur dort kann die bewusstseinserweiternde Droge – das Spice (auch Gewürz oder Melange genannt) – gefördert werden. Dessen einmalige Eigenschaften ermöglichen nicht nur das Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit, sondern löst im menschlichen Organismus lebensverlängernde Eigenschaften aus. Und dass die Menschheit selbstredend nur alleine für diese letzte Eigenschaft alles stehen und liegen lässt, steht außer Frage. Allerdings ist der Wüstenplanet unter der Schirmherrschaft des Imperators Shaddam IV, der zu Beginn den gutmütigen Atreides die erstmalige Möglichkeit einräumt, für ihn nach dem begehrenswerten Stoff zu schürfen. Nur wenigen Gruppierungen wurde das bisher genehmigt, was die dort bereits angesiedelte Truppe – die Harkonnen (im Spiel werden diese „Harkonnens“ genannt) – nicht unbedingt freudig stimmt, ihre Macht über das Spice mit dem Gesinnungsfeind zu teilen. Man selbst übernimmt die Rolle von Paul Atreides, Sohn des Herzogs und Taktgebers Leto Atreides. Kaum hat die Familie aber den großen Sandkasten betreten, tickt ihnen auch schon die Uhr im Nacken. Der Imperator wünscht nämlich alle paar Tage eine entsprechende Gewürzlieferung, da die Familie ansonsten Arrakis dauerhaft verlassen muss. Die Familie hat nur diese eine Chance und die muss sie nutzen. Dass da eine ganze Scharr an Beratern („Mentate“ genannt), Experten und militärischen Anführern mit im Boot sitzt, wird allerdings recht schnell vom Spiel vergessen und auch der Herzog legt das Gelingen ausschließlich in die Hände seines Sohnes und damit in die des Spielers. Daran zu stören, das Schicksal der Unternehmung in die Hände eines unerfahrenen, jungen Adeligen zu legen, scheint hingegen niemanden wirklich zu stören.
Unverständlicherweise ist die Familie Atreides jedoch etwas zu vertrauensselig und versprach dem strengen Imperator zwar regelmäßige Gewürzlieferungen, ohne jedoch entsprechendes Equipment einzupacken. Sie hoffen einfach mit den arrakischen Ureinwohnern, den Fremen, in Kontakt zu treten und die anschließend für sie in der Wüstenhitze schwitzen zu lassen … Klingt wie ein „toller und gut durchdachter“ Plan… Pauls Mutter, Lady Jessica, sieht in ihrem Jungen jedenfalls etwas Besonderes, was sich direkt beim ersten Kontakt mit der arrakischen Bevölkerung zu bestätigen scheint: Die in unterirdischen Behausungen lebenden Fremen sehen in Paul keinen Geringeren als den Auserwählten, auf den Arrakis seit Jahrhunderten wartet.
Als damals das erste Mal die runden Magnetscheiben in meinem Amiga-500-Diskettenlaufwerk ihre Runden drehten, war ich absolut geplättet von dieser audiovisuellen Präsentation. Stéphane Picq zeigt sich verantwortlich für den Soundtrack des Spieles und hat sich alleine damit für mich mal eben schnell auf Augenhöhe mit Chris Hülsbeck katapultiert. Was hier aus den Boxen donnert, sollte selbst für verwöhnte Amiga-Ohren noch einmal eine ganze Schippe obendrauf sein: einfach nur bombe. Monsieur Picq hat das dann später auch noch als Soundtrack-CD verkauft, die unter dem treffenden Namen „Dune – Spice Opera“ zu haben ist. Und ich weiß nicht, wie es diese Komponisten immer wieder schaffen, doch die Musik auf der runden Scheibe kommt in ihrer Wucht und Intensivität nur bruchstückhaft an die des Amiga-Spieles heran. Dieses Problem ist mir damals auch schon bei seinem ebenfalls aus Frankreich stammenden Kollegen Jean-Baudlot Freitas aufgefallen, ehemals für ‚Delphine Software‘ als Komponist tätig. Dessen CD-Veröffentlichungen besaßen in meinen Augen exakt dasselbe Problem. Vielleicht liegt es daran, dass die Mannen da Neues ausprobieren wollten oder dergleichen, bei mir traf das allerdings nur bedingt den Nerv der Amiga-Vorlagen. Im Netz finden sich jedenfalls massenweise Remixes der Musik und die Fans schlagen da oft in eine passendere Kerbe. Ich für meinen Teil höre die Musik von ‚Dune‘ einfach zu gerne und die hat einen permanenten Platz auf allen Endgeräten, die etwas mit Mp3-Dateien anfangen können.
Nach dem tollen Soundtrack stellte sich der zweite „Wow“-Effekt bei ‚Dune‘ dann schnell bei der Optik ein. Was da 1992(!) für ein Feuerwerk abgebrannt wurde, lässt mich selbst bei einem heutigen Blick darauf staunen. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie die Franzosen der heute leider nicht mehr existenten Firma ‚Cryo Interactive‘ das gemacht haben, aber ‚Dune‘ lässt absolut vergessen, dass der Amiga 500 eigentlich nur 32 Farben gleichzeitig darstellen kann. Natürlich sieht die PC-VGA-Version mit ihren 256 Farben einmal mehr noch eine ganze Ecke besser aus, aber die grafische Präsentation ist auf dem Rechenknecht von Commodore schlicht und ergreifend beeindruckend: Farbverläufe, ein butterweicher Mosaikeffekt für Überblendungen und Wassereffekte … Ich wusste ernsthaft nicht, dass ein kleiner Amiga 500 überhaupt so etwas darstellen und berechnen konnte. Ok, zugegeben, bei den Gesichtsanimationen hat man es dann etwas übertrieben und wurde scheinbar übermütig. Denn neben den obligatorischen Lippenbewegungen zucken die Gesprächspartner gern überschwenglich mit den Augenbrauen, der Nase oder dem Mund. Das sieht dann in der Masse irgendwie ungesund aus, womit das unter meinen Geschwistern gern mal nachgeäfft wurde, was uns ständig zum Grinsen brachte. Die Grafiker wollten eben zeigen, wozu sie fähig waren. Manche Figuren sahen ihren Filmvorbildern wahrlich zum verwechseln ähnlich – allen voran Kyle MacLachlan. Nichtsdestotrotz schossen die Mannen von ‚Cryo Interactive‘ mit diesem Feature der etwas zu zahlreichen Gesichtsmimik meiner Meinung nach ein ganzes Stück über das Ziel hinaus. Dennoch kann man ‚Dune‘ zweifelsohne als einer der allerschönsten Amiga-500-Spiele überhaupt bezeichnen!
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich es niemals wirklich durchgespielt habe. Allerdings regelmäßig rausgekramt und dann bis zu einer ganz bestimmten Stelle gespielt: Nämlich als Paul die schmucke Chani kennenlernt, die ihrem Vorbild Sean Young überhaupt nicht ähnlich sieht. Machte aber nichts, denn für mich stellt ‚Dune‘ das erste Spiel dar, in dem ich eine virtuelle Romanze haben durfte. Anno 1992 für mich definitiv etwas ganz Neues … Aus heutiger Sicht muss man allerdings offen zugeben, dass das etwas gehetzt präsentiert und dem Spieler direkt viel zu leicht gemacht wird. Denn wenn man Chani kennenlernt, dann ist sie beim ersten Anblick so hin und weg von dem jungen Adeligen, dass der erste Kuss keine fünf Klicks später nicht auf sich warten lässt. Das waren eben die Anfänge des Mediums Computerspiel. Jedoch sind selbst heute noch viele Romanzen in modernen Spielen ähnlich infantil geraten und haben mit den Anstrengungen des Ringens eines Mannes um eine Frau so ziemlich gar nichts zu tun. Für mich hat ‚Dune‘ dennoch den Grundstein für Romanzen in Computerspielen gelegt und ich empfand das als junger Teenie keineswegs gehetzt oder gekünzelt. Als ich es diese Kolumne erneut spielte und einmal mehr Chani einen Kuss aufdrücken durfte, musste ich hingegen schon ein bisschen Schmunzeln. Doch durchgespielt oder nicht: ‚Dune‘ ist ein klasse Spiel, das mir in all den Jahren nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist – und das obwohl ich mit Buch und Film eigentlich so gut wie gar nichts anfangen kann…
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'Dune' (Amiga/1992) - Ein audiovisuelle Glanzleistung ...
Beneath a Steel Sky
Obwohl 'Lure of the Temptress' mir eigentlich vor allem grafisch gut gefiel, konnte es mich leider nie wirklich abholen. Doch was das Erstlingswerk nicht schaffen sollte, packte der indirekte Nachfolger von 'Revolution Software' mit Leichtigkeit. Von mir damals fälschlicherweise immer "Benett ä Sdiel Skai" ausgesprochen packte mich der Titel so richtig. Einmal mehr war die grafische Präsentation - die zur Firmenpolitik werden sollte - definitiv ein absoluter Hingucker, für die sogar Dave Gibbons verpflichtet werden konnte. Der war obendrein maßgeblick für die Comic-Reihe 'Watchmen' verantwortlich, die schnell Kult-Status erreichen sollte. Ich liebte einfach diesen erwachsenen Look und düstere Zukunftsvisionen haben mich ohnehin schon immer gereizt.
In einer (hoffentlich fernen) Zukunft ist die Welt in zwei Gegensätze geteilt. Zum Einen leben die Menschen in riesigen Städten aus Metall und zum Anderen in so genannten "Gaps", eine unbewohnte Wüstenlandschaft. In Letzterer fristet Robert Foster als Teil eines Nomadenstammes sein Dasein, bis eines Tages plötzlich ein schwerer Kampfhelikopter die Stille unterbricht und bewaffnete Soldaten ausspuckt. Robert staunt nicht schlecht, dass der kommandierende Befehlshaber Reich seinetwegen den Weg aus der großen Stadt antrat. Was will der eigentlich bzw. was weiß der von ihm? Robert lebte doch seit er denken kann bereits im Gap, ohne etwaige Verbindung zur weit entfernten Stadt. Doch Reich meint es ernst und droht damit, das Camp der Nomaden dem Erdboden gleich zu machen. Robert scheint keine Wahl zu haben und ergibt sich, weiß allerdings nicht, dass seine Familie und Freunde trotzdem dem Untergang geweiht sind: Kaum gestartet gibt Reich nämlich den Befehl zur totalen Auslöschung. Robert schwört Rache und soll auch bald die Chance dafür bekommen, als plötzlich die Technik versagt und der Helikopter inmitten der Großstadt auf den Boden kracht. Wie durch ein Wunder überlebt Robert die Bruchlandung unbeschadet, was leider ebenfalls für seinen Widersacher gilt. Also schnell die Beine in die Hand genommen und in der erstbesten Fabrik versteckt. Doch die Flucht soll nicht der Hauptbestandteil des Adventures sein, denn Roberts Interesse ist geweckt und er macht sich an die Arbeit herauszufinden, warum er für diese Leute so immens wichtig scheint.
Das klingt erst einmal wie ein tolles Fundament, das in der PC-Version in einem schicken Comic-Intro erzählt wird ... Doch das fehlt leider gänzlich in der Amiga-Fassung und man muss sich mit einem beiliegenden Comic-Heft begnügen. Letztlich wird hier zwar die gleiche Vorgeschichte erzählt, aber ein richtiges Intro-Filmchen ist schon etwas anderes. Ganz ohne Bewegtbild kommt man aber dann doch nicht aus und das Spiel klinkt sich direkt vor dem Absturz des Helikopters ein. Was mich tatsächlich hieran immer sehr gestört hat war, dass im Spiel-Intro kein einziges Wort gesprochen wird und vor allem nicht einmal der Titel "Beneath a Steel Sky" eingeblendet wird. Hätte man jemandem die Disketten unbeschriftet ausgeliehen, hätte der dadurch nicht einmal gewusst, welches Spiel da überhaupt im Laufwerk werkelt. Apropos Disketten: Satte 15(!) Stück waren hier am Start, was im ersten Moment wie eine riesige Datenmenge klang. Letztlich war es aber eine Abfolge immenser Produktionsfehler, die nie ausgebessert wurden und bei denen ich mich zurecht fragte, wie zum Teufel so etwas durch eine Qualitätskontrolle kommen konnte. Obendrein wurde das auch nie von offizieller Stelle irgendwie kommentiert. Doch wo fange ich an: Zum einen waren die Disketten mit "Disk 1" bis "Disk 15" beschriftet, doch schoss die Augenbraue im Spiel fragend nach oben, als plötzlich "Disk 0" eingelegt werden sollte. Nach einigem Herumprobieren stellte sich dann heraus, dass das "Disk 1" sein sollte. Mit diesem Wissen bewaffnet, freute man sich leider zu vorschnell, dass man das Rätsel gelöst hatte. Denn ab einer bestimmten Diskettenanzahl musste plötzlich erneut umgedacht werden. Wurde nämlich eine der höheren Disketten verlangt (bspw. "Diskette 9"), musste plötzlich der zahlenmäßig darauffolgende Datenträger ins Laufwerk (also bei Disk 9 dann eben Disk 10). Manche Magnetscheiben waren obendrein nichtmal zur Hälfte gefüllt und Diskette vier war derweil gleichmal total unnütz. Dass das Adventure die nie verlangte - außer bei der Installation - traue ich mir kaum zu erwähnen. So ein derartiges Durcheinander hatte ich jedenfalls noch nicht erlebt.
'Beneath a Steel Sky' ist mittlerweile kostenlos
Auf der offiziellen Seite von 'ScummVM' steht 'Beneath a Steel Sky' (PC/VGA) kostenlos und absolut legal zum Download bereit (
Zur Downloadseite). Zur Nutzung ist der Interpreter Voraussetzung.
Ohne zweites Diskettenlaufwerk, das in der Anleitung empfohlen wurde, war das Adventure zwar spielbar, aber die Wechselei der Datenträger nahm exorbitante Ausmaße an. Man betrat einen Raum und das Programm bat auf charmante Weise mit "Bitte legen Sie Disk 0 ein" und anschließendem "Bitte legen Sie Disk X ein" um Aktion des Spielers. Das wurde dann abwechselnd mehrmals wiederholt, bis der neue Raum endlich fertig geladen war. Fünf und mehr Diskettenwechsel pro Location sollten keine Seltenheit bleiben, weshalb man die Empfehlung, einen zweiten Floppy zu verwenden, durchaus ernst nehmen sollte: Diskette 0 verbleibt dann in Laufwerk eins, während im zweiten die anderen Disketten durchgereicht wurden. So war der Titel jedenfalls halbwegs ohne Festplatte spielbar, obgleich doch aufgrund der nicht unbedingt kurzen Ladezeiten einiges an Geduld vom Spieler abverlangt wurde. Zu allem Übel merkte sich der Amiga kein einziges geladenes Bit, was bei einem Raumwechsel dazu führte, dass sämtliche Daten erneut geladen werden mussten. Es machte keinen Unterschied, ob man eine gänzlich neue Location betrat oder direkt wieder in die alte zurücklief. Das war schon nervig und einfach unverständlich. Adventures von 'LucasArts' hatten es doch gekonnt vorgemacht. Dort wurde mit steigendem Arbeitsspeicher entsprechend mehr (besuchte) Räume im RAM verewigt, weshalb sich die Ladezeiten deutlich weniger auf den dünnen Geduldsfaden auswirkten.
Aber eine Festplatte könnte ja Abhilfe schaffen - zumindest sollte man das meinen, hatte die Rechnung allerdings ohne die scheinbar kaum vorhandene Qualitätssicherung gemacht: Satte 4,5 Stunden(!) (in Worten: "viereinhalb Stunden") dauerte die Installation auf die Festplatte. Ging etwas schief oder ein verirrtes Staubkorn verursachte einen Lesefehler, durfte die Chose erneut ganz von vorn begonnen werden. Grund dafür war, dass die Dateien nicht nur kopiert, sondern entpackt wurden, um später im Spiel schnellere Ladezeiten zu ermöglichen. Und tatsächlich verkürzten sich diese um gefühlte 0,5 Sekunden. Ob das eine Installation von viereinhalb Stunden rechtfertigt, bleibt wohl jedem selbst überlassen. Bei mir löste das nur ein immenses Kopfschütteln aus. Immerhin waren Festplatten zu dieser Zeit echt sau-teuer und nur von geringem Umfang. Ein guter Freund von mir hatte insgesamt 40 MByte Datenvolumen zur Verfügung (das sind 0,04 GByte), von denen 'Beneath a Steel Sky' knapp ein Viertel schluckte. Nachdem man viereinhalb Stunden Warterei für eine einzige Installation auf sich nehmen musste, überlegt man sich es jedenfalls dreimal, ob man das Adventure nach dieser Prozedur überhaupt wieder löschen wollte. Verständlich, doch das war nichts für mich: Somit setzte ich mich an die Amiga-Programmiersprache AMOS und schrieb kurzerhand eine eigene Installationsroutine, welche die Daten nicht mehr entpackte, sondern lediglich kopierte. Somit verschlang das Prozedere nur noch einen Bruchteil der Zeit. Aber viereinhalb Stunden... Darüber werde ich echt heute noch nicht fertig!
Genug gemeckert: Hatte man sich erst einmal an die "besonderen Bedürfnisse" der 15 Disketten gewöhnt, offenbarte sich ein richtig tolles und vor allem ernstes Adventure über eine mögliche, dystopische Zukunft. Die Welt war durch die Bank sehr glaubwürdig und man selbst lernte sie nach und nach im Gleichschritt mit Robert kennen, da der Stadtbesuch für ihn eben auch sein erstes Mal sein sollte. Eine coole Idee war obendrein Roboterkollege Joey, dessen immenses Potential leider nie richtig ausgeschöpft wird. Wenn man schon einen metallischen Sidekick einführt, dann sollte der ein aktiveres Dasein fristen dürfen. Ständig hatte ich jedenfalls das Gefühl, dass da noch viel mehr gegangen wäre. Ähnliches gilt für die musikalische Untermalung, die ebenfalls weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt. Bis auf das Intro und das Extro finden sich leider keinerlei Musik im Spiel und die wenigen Soundeffekte sind eigentlich kaum der Rede wert. Das resultiert letztlich in dem Umstand, dass man fast in totaler Stille rätselt. In der später erschienen PC-Version wurde zwar alles besser gemacht und solche Fehler ausgebügelt, davon kaufen konnte ich mir als Amiga-User jedoch nichts. Auf der DOSe findet sich nicht nur eine musikalische Untermalung, sondern ein richtiger Soundtrack, bei dem jeder Abschnitt anders melodisch thematisiert wird. Obendrein darf man Robert und Joey durch die englische Sprachausgabe lauschen. Schade, denn auf dem Amiga wäre zumindest die Musik sicherlich nicht unbedingt ein Problem gewesen. Ein weiterer Fehler, der viel zu spät mit der Amiga-CD³²-Version ausgebügelt wurde, auf dessen CD-ROM ebenfalls die (englische) Sprachausgabe zu hören war. Tolle Sache, aber alles leider viel zu spät: Die 32-Bit-Konsole von 'Commodore' hatte zu dieser Zeit bereits gegen den PC-Platzhirsch mit CD-ROM-Laufwerk keine Chance mehr.
Die Amiga-Version mag also ihre Probleme gehabt haben und war übrigens die erste Fassung, die am Markt zu haben war. 1994 nicht unbedingt eine Alltäglichkeit. Trotz der Probleme empfinde ich 'Beneath a Steel Sky' als absolut gelunges Adventure, das einfach in keiner Sammlung fehlen darf. Da es zudem mittlerweile kostenfrei zu haben ist - also die PC-Fassung -, können sich sogar die Profi-Nörgler herantrauen. Und von denen schien es leider ein paar zu viel zu geben: Während die Presse das Spiel nämlich in den höchsten Tönen lobte, repräsentierten die Verkäufe diesen Enthusiasmus kein Stück. Die mageren Absatzzahlen sprachen leider ein deutliche Sprache. Dennoch erfuhr das Adventure 2009 mit einer "Remastered Version" zumindest auf den mobilen Plattformen eine Überarbeitung, die das Ganze fit für den Touch-Screen machte, einige neue Grafiken bot, ein neues Intro und Extro spendierte (erneut von Grafiker Dave Gibbons) und den Soundtrack runderneuerte. So stehen mit Amiga, PC oder Handy mehrere Möglichkeiten ins Haus, den Titel nachzuholen oder nochmal anzugehen. Was mich betrifft, so krame ich das Abenteuerspiel nur zu gern wieder heraus, habe es mittlerweile auf jedem Endgerät mehrfach durchgespielt und zu allem Überfluss spreche ich den Titel - trotz besseres Wissens - noch immer falsch aus. Ein wirklich tolles Adventure dieses "Benett ä Sdiel Skai"!
'Beneath a Steel Sky' - Enhanced Soundtrack für 'ScummVM'
Der Brite James Woodcock hat sich die riesige Mühe gemacht und den kompletten Soundtrack neu aufgelegt. Was dabei herausgekommen ist, kann sich absolut hören lassen und ist zudem kostenfrei zum Download verfügbar (
Zur Downloadseite). Nach dem Download die Dateien einfach in das ScummVM-Verzeichnis von 'Beneath a Steel Sky' (PC/VGA) kopieren. Der Interpreter erkennt dann automatisch beim Spielstart die Musikstücke und ersetzt diese gegen den originalen Midi-Soundtrack.
'Beneath a Steel Sky' (Amiga/1994) - Comic-Zeichner Dave Gibbons' Zeichenkünste einer Zukunfts-Dystopie verschlingen nicht weniger als 15 Disketten. Ohne Festplatte war man zumindest mit einem zweiten Diskettenlaufwerk gut beraten!
Flies – Attack on Earth
Bei diesem Adventure werden sicherlich nicht Wenige allein beim Lesen des Titels äußerst fragende Gesichtszüge annehmen, weil sie noch nie davon gehört haben oder das Spiel kennen und es schrecklich fanden. Ersteres muss jedoch selbst den größten Kennern des Genres aber keinesfalls peinlich sein, denn selbst im Internet findet man nicht unbedingt allzu viele Informationen oder gar Bildmaterial (und dann meist immer die gleichen Shots) von diesem doch recht eigentümlichen Adventure-Kleinod. Zugegeben, es handelt sich hier nicht unbedingt um einen Kracher des Genres, weshalb der Titel wohl vielleicht auch zu Recht an vielen Spielern einfach vorbeigegangen ist. Die damals noch recht junge deutsche Softwareschmiede ‚Egosoft‘ zeichnet sich dafür verantwortlich, die erst ab Ende der 90er deutlich an Bekanntheit zunehmen sollte. Mit der Endlosspiel-Weltraumsimulation ‚X – Beyond the Frontier‘ und den zahlreichen Nachfolgern (wie ‚X² Reunion‘ oder zuletzt ‚X Rebirth‘) verdienen die rund 20 Mitarbeiter jedenfalls noch heute ihre Brötchen.
Warum erinnere ich mich also an ihr erstes Adventure-Projekt? An den Äußerlichkeiten kann es jedenfalls nicht liegen, sind da doch einige Punkte zu finden, um die ich normalerweise einen großen Bogen mache: Zuerst einmal handelt es sich um ein 1st-Person-Abenteuer. Solche Adventures bekommen zwar von mir stets ihre Chance, doch meine Gunst konnte sich bislang maximal die ‚Myst‘-Reihe sichern. Zum Zweiten ist die Optik selbst für die damalige Zeit doch relativ mager und schrammt an nicht wenigen Stellen gar an Fan-Adventure-Niveau. Zum Dritten muss man die Spielfigur ernähren, da sie sonst verhungert oder verdurstet - so etwas werde ich immer als nervend empfinden. Punkt vier ist ein Gegenstandslimit, das sich vor allem auf das Gewicht der einzelnen Utensilien stützt. In einem Adventure hat so etwas irgendwie nichts verloren, finde ich, zumal das Limit hier recht knapp bemessen war. Und zum Fünften bietet der Titel einfach deutlich zu viel Trial-and-Error-Elemente. Vor allem hier habe ich mich immer gefragt, wie Entwickler überhaupt darauf kommen können, dass sinnlose Tode oder gar Sackgassen irgendwie positiv zum Spielspaß beitragen können.
Die Frage ist nun, wenn so viel dagegen sprach, warum habe ich mir den Titel dann überhaupt angesehen? Die Antwort ist simpel: Ein Klassenkamerad konnte sich unheimlich für das Adventure begeistern und schaffte es letztlich, mich ebenso damit zu infizieren. Der Reiz, einmal mehr einen Titel im parallelen Durchzocken zu erleben, hatte mich jedenfalls gepackt. So spielte er es bei sich zu Hause, ich bei mir. Am nächsten Tag wurde dann in der Schule während der Pausen fleißig über die Fortschritte debattiert und was man noch ausprobieren könnte. Denn „Ausprobieren“ ist zweifelsohne DAS Stichwort bei diesem Adventure. Aufgrund des knappen Gegenstandslimits konnte man nämlich keinswegs alles Einsacken, was nicht niet- und nagelfest war, sondern musste vorher abwägen, wofür man das eingesackte Utensil denn überhaupt verwenden könnte. Damit war nervendes Hin und Her vorprogrammiert und war in Zusammenarbeit mit dem wohl dämlichsten Kopierschutz aller Zeiten noch schwerer zu ertragen. Dem Original lag nämlich eine Karte bei. Manche Orte konnte man nicht direkt erreichen, sondern musste durch ein absolut gleich aussehendes Labyrinth irren, das ohne die Navigationshilfe praktisch unmöglich zu schaffen war. Raubkopierer hätten sich die auch einfach kopieren können, was den Machern scheinbar nicht in den Sinn kam. So mussten sich die legalen Käufer genau wie die Software-Piraten gleichermaßen durch ellenlange Labyrinthe wuseln und verliefen sich trotz Karte noch viel zu oft. Dadurch dass sich jede Ecke bis auf den letzten Pixel glich, hatte man kaum mehr eine Chance, wieder auf den richtigen Pfad zu finden, hatte man sich einmal verirrt. In meinen Augen die mit Abstand dümmste Designentscheidung aller Zeiten! Haben sich die Entwickler wirklich gedacht, dass dieses Umherirren tatsächlich Spaß machen könnte? Von den zahlreichen Sackgassen und Toden, die obendrein noch auf den Abenteurer warteten, möchte ich erst gar nicht anfangen. Viel speichern war jedenfalls an der Tagesordnung.
Was mich aber wirklich wahnsinnig an dem Spiel reizte, war zweifelsohne die Story. Die hatte ich bei meinem Kumpel gesehen und untermalt mit der tollen Musik von Soundmagier Rudolf Stember empfinde ich sie sogar noch beim heutigen Schauen als echt gelungene Einstimmung: Im Jahr 2356 entdecken Observatorien einen kleinen Asteroiden, der ungebremst auf die Erde zurast. Aufgrund der geringen Größe des Objekts wird dem fliegenden Gesteinsbrocken jedoch keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt, was sich bald als böser Fehler herausstellen sollte. Der „Destroyer“ – wie er später getauft wurde – war nämlich kein normaler Asteroid, sondern wohlmöglich ein außerirdisches Raumschiff, mit einer Ladung Fliegen an Bord (ja, die kleinen Dinger, die beim Büffet immer so nerven). Scheinbar ein Erkundungsversuch seitens unbekannter Aliens, die gern mehr über unseren Planeten erfahren wollten. Dummerweise schleusen die Insekten auch versehentlich einen Virus ein, der die Menschheit völlig unerwartet heimsucht und gar an den Rand der totalen Ausrottung führt. Für einen Impfstoff oder Heilmittel ist der Zug längst abgefahren und tagtäglich lichten sich die Reihen mehr. Glücklicherweise brach Dr. Juri Sarkov vor diesen Ereignissen zu einer Forschungsstation auf dem Mars auf. Da der rote Planet ihn gänzlich vor dem Virus isolierte, tüftelte er ungehindert an den ersten Konstruktionsplänen für eine Zeitmaschine. Nach knapp einem Jahr gelingt ihm letztlich der Durchbruch und er entsendet zum ersten Mal lebende Materie in die Vergangenheit. Höchste Zeit, das mit einem Menschen zu versuchen. Selbstverständlich ist der Spieler eben jener Freiwilliger, dessen Auftrag recht eindeutig ist: (1) In der Vergangenheit die Identität eines kürzlich verstorbenen übernehmen (2) Mit niemandem über die Zeitreise sprechen, um Schäden im Raum-Zeit-Kontinuum zu vermeiden und (3) mithilfe des auf dem Mond befindlichen Raketenabwehrsystems den „Destroyer“ in tausend kleine Stücke sprengen, bevor der seine totbringende Fracht überhaupt auf die Erde bringen kann.
Ich bin für etwaige Geschichten immer gern zu haben und allein, wie spannend das Intro das alles inszenierte, vermochte meine Aufmerksamkeit zu erregen. Leider erreicht das Spiel selbst dieses hohe Level dann eigentlich niemals wieder. Trial-and-Error, wohin das Auge schaute, was letztlich dafür sorgte, dass ich mehrere Monate mit dem Adventure zubrachte. Zwar nicht unbedingt am Stück, aber ich schaute regelmäßig wieder rein. War mal die Luft raus, wurde schnell nochmal das Intro angeworfen, um sich wieder in die richtige Rätselstimmung zu bringen. Doch allem Eifer zum Trotz haben mein Klassenkamerad und ich das Spiel niemals durchgespielt. Das war jedoch nicht nur den Rätseln zur Last zu legen, sondern der unbegreiflichen Inkonsistenz in der Steuerung. Einmal musste man beispielsweise einen biometrischen Fingerscanner „ansprechen“, um seinen Daumen darauf zu legen, an anderer Stelle „Benutzen“. Dann steuerte man mit die Figur meistens mit den Pfeiltasten im oberen Mittel des Bildes, nur um durch andere Türen nur wieder mit dem Befehl „Gehen“ zu kommen. Um im Inventar eine Tüte zu untersuchen, musste diese nicht „untersucht“, sondern „angesprochen“ werden... usw. Um ein paar Beispiele aus diesem Kuriositätenkabinett, was die Entwickler „Steuerung“ tauften, zu nennen. Das hatte natürlich zur Folge, dass man manchmal auf des Rätsels Lösung kam, aber eben die für das Spiel falsche Aktion ausführte und damit nicht weiterkam. Manchmal schien ‚Flies – Attack on Earth‘ zu wirken, als haben verschiedene Entwickler daran gewerkelt und glatt vergessen, sich untereinander abzusprechen.
Und dennoch war mein Eifer immer gepackt, es durchspielen zu wollen. Seitdem sind nicht mehr als 22 Jahre ins Land gestrichen. Bei Diskussionen kam dann immer wieder mal dieser Titel zur Sprache und niemand, den ich kenne, hatte hier je das Finale erreicht oder eben keine Ahnung, von was ich da faselte. Tatsächlich dachte ich noch viel über das Adventure-Kleinod nach und versuchte mir immer gar zusammenzureimen, wie es denn hätte enden können. Irgendwann las ich dann auf einer Seite im Internet, wie das Finale aussah und spoilerte mich damit selbst. Denn die Frage, ob der Spieler es schaffen würde, den anfliegenden Brocken rechtzeitig zu zertrümmern, stellte ich mir schlicht zu oft. Aber diese Kolumnen-Reihe ist vor allem dafür da, mich eben einmal mehr mit den genannten Titeln auseinanderzusetzen und was soll ich sagen: Ich habe ‚Flies – Attack on Earth‘ nun tatsächlich zum ersten Male durchgespielt und das Finale live und in Farbe gesehen. Ok, zwar mit Komplettlösung, aber nach dieser langen Zeit wich der Ehrgeiz es selbst zu schaffen einfach dem Fakt des urlaubstechnischen Zeitlimits. Nun, da dieser Moment verstrichen ist, bin ich ein wenig enttäuscht über das, was ich sah. Ich hatte generell das Adventure viel stärker in Nostalgie-Tinktur eingetaucht, als ich dachte und ich habe mich beim nochmaligen Spielen für diese Kolumne häufig genug gefragt, warum mich dieser Titel so lange nicht loslassen konnte. Ich habe selbst jetzt nicht die geringste Ahnung, was der Grund dafür sein sollte. Grundsätzlich bin ich aber dann doch froh, dieses kleine Häkchen nun endlich auf meiner persönlichen Adventure-Liste gesetzt zu haben. Es mag gewiss nur ein kleines Häkchen sein. Dieses aber nach rund 22 Jahren zu erreichen, ist schon ein überaus interessantes Gefühl: Ich tippe mal auf Genugtuung.
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'Flies - Attack on Earth' (Amiga/1993) - Tolle Musik, tolle Story, der Rest konnte nervige Züge annehmen und dennoch habe ich's letztlich durchgespielt. Rund 22 Jahre später zumindest ...
Fortsetzung in der nächsten Kolumne …
Falko Tetzner _ 07.02.2016
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