
Hersteller: | Interactive Binary Illusions |
Vertrieb: | Renegade Software |
Steuerung: | Maus |
Systemanforderungen: | DOS 5.0/Win 3.1 / 386 33 MHz / 4 MB RAM / ca. 1 MB Festplatte (CD) & ca. 12 MB Festplatte (Disk) |
USK: | Freigegeben ab 6 Jahren |
Kompatibilität: | ScummVM / DOSBox |
Deutsch: | Komplett |

Mehr ‚LucasArts‘ geht nicht
Was besonders an ‚Flight of the Amazon Queen‘ gefällt, ist der typische ‚LucasArts‘-Flair. Dabei ist das Adventure eigentlich gar nicht von der einstigen kalifornischen Schmiede. Nichtsdestotrotz haben sich die Macher spürbar von deren Atmosphäre inspirieren lassen und liefern einen Titel ab, den man problemlos dem ‚LucasArts‘-Portfolio unterjubeln könnte. Die Steuerung erinnert angenehm an das bewährte SCUMM-System, die Dialoge kommen im gewohnten Multiple-Choice daher und das Abenteuer ist eine runde und ziemlich gut durchdachte Sache. Alles wie beim großen Vorbild eben. Beim Amiga war genau dieser Umstand der Hauptgarant für den Erfolg. Nachdem nämlich ‚LucasArts‘ bereits im Jahre 1993 die Konvertierungen für die Commodore-Rechner einstellte, war die Adventure-Gemeinde dementsprechend abgezehrt und lechzte förmlich nach neuem Material. Großspurige Ankündigungen in vielerlei Fach-Zeitschriften steigerte die Erwartungshaltung letztlich ins Unermessliche. Sogar eine CD-ROM-Version mit komplett deutscher Sprachausgabe war geplant. Seinerzeit am Amiga alles andere als Standard und dementsprechend groß war auch die Freude darauf. Letztlich schaffte es dann jedoch ausschließlich die englische Diskettenversion auf Commodores Rechner, was dem Erfolg jedoch kaum zu schmälern schien. Fragt heute noch jemand Amiga-Spieler nach guten Adventures, dann ist ‚Flight of the Amazon Queen‘ oft bei den ganz Großen des Genres dabei. Für sie war der Titel also etwas Besonderes. Doch warum war das auf dem PC in deutschen Haushalten nicht so? Das hatte einen bestimmten Grund: die Lokalisierung.
Das Problem mit der deutschen Sprachausgabe
Wer das Adventure auf dem PC startet, dem entgeht in der für unseren Markt lokalisierten Fassung auf keinen Fall, dass die Wahl der Sprecher nicht einmal annährend als Glücksgriff bezeichnet werden kann. Trotz kleiner Highlights wie den österreichischen Schauspieler Christoph Waltz besitzt ‚Flight of the Amazon Queen‘ unter‘m Strich ohne Übertreibung einer der miesesten deutschen Vertonungen überhaupt. Es ist zum Teil eine Qual Joe King zuzuhören, wie er mit völlig falschen Betonungen sowie einer unfassbaren Unlust an dem Projekt zu Werke geht. Das ist nicht nur unschön, sondern auch einfach richtig schade. Immerhin sind wir davon überzeugt, dass es vor allem den schlechten deutschen Sprechern zu verdanken ist, dass adventurebegeisterte PC-Gamer aus unserem Sprachraum den Titel direkt links liegen ließen. Verständlich, doch damit haben sie ein echt tolles Abenteuerspiel verpasst. Auf dem Amiga war das – heute sollte man sagen: „Zum Glück!“ – nicht das Problem, erschien ‚Flight of the Amazon Queen‘, wie bereits angesprochen, doch ausschließlich als englische Diskversion. Fernab vom unterirdischen Deutsch-Akzent der Sprecher konnten sich Anhänger der Commodore-Maschinen auf die Stärken des Adventures konzentrieren – zumindest sofern sie des Englischen mächtig waren. Für PC-ler blieb ausschließlich der Griff zur internationalen Sprachvariante, bei welcher die Sprecher jedoch kaum einen besseren Job ablieferten. Generell gestaltete sich das alles als echter Wehrmutstropfen: Immerhin protzten Titel der Konkurrenz gerade in den 90ern mit zum Teil unverschämt guten deutschen Vertonungen.
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Vielseitiger Rätselspaß
Absolut gut gelungen ist das gesamte Rätseldesign. Das ist nicht nur frisch und fügt sich sehr gut in die Handlung ein, sondern bietet reihenweise Abwechslung für die grauen Zellen. Da Joe in der guten Tradition der Adventure-Spiele alles einsteckt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, gestaltet sich das Inventar später jedoch ein wenig fummeliger als das SCUMM-Vorbild – welches ganz offensichtlich als Vorlage diente. Mehr als vier Gegenstände können nämlich nicht direkt betrachtet oder benutzt werden, bevor man die beiden Pfeile zum Weiterscrollen betätigen muss. Dies gestaltet sich bei vollem Gepäck, sobald Inventarutensilien direkt miteinander kombiniert werdem müssen, etwas weniger komfortabel. Ansonsten sind die zahlreichen Icons und Mini-Bildchen allesamt selbsterklärend. „Öffnen“ und „Schließen“ hätte man jedoch weglassen können, funktioniert in fast allen Fällen „Benutzen“ stellvertretend genau so gut. Durch den kontextsensitiven Cursor entfällt derweil lästiges Geklicke, wählt dieser doch stets die offenkundigste Aktion - wie "Betrachten" oder "Benutzen" aus, die dann blitzschnell per rechter Maustaste aktiviert werden kann. Alles in Allem darf man sich letzten Endes auf einige sehr interessante Grübelabende einstellen, bei denen für jeden etwas dabei sein dürfte.
Optik ohne Alterserscheinungen
Grafisch haben die Australier absolut ins Schwarze getroffen. Die wirklich schön gepixelten Locations sind nämlich genau in diesem zeitlosen Stil, den wir Adventure-Liebhaber doch eigentlich am liebsten mögen. Dies hat auch John Passfield verstanden - einer der ursprünglichen Köpfe hinter dem Adventure. Denn bei der „20th Anniversary Edition“, die im Jahre 2016 für Handhelds und mobile Telefone erschien, hat man die Optik nur unwesentlich verändert. In unseren Augen ist das Original bereits ein echter Augenschmaus für Nostalgiker. Zudem machte man sich sogar die Mühe, zahlreiche der Grafiken einzudeutschen. Auch die Vielzahl der Animationen, an denen zum Teil Mitglieder der einstigen ‚Bitmap Brothers‘ mitwirkten, können sich sehen lassen. Richtig nett ist zudem die Idee des eingebauten „Commander Rocket“-Comics. Das kann nämlich jederzeit im Inventar gelesen werden und wurde separat vertont. Aufgrund der DOS-Wurzeln ist ‚Flight of the Amazon Queen‘ übrigens leider seit Jahren auf modernen PCs nicht mehr spielbar. Ausschließlich mithilfe des kostenfreien Interpreters ‚ScummVM‘ lässt sich das Stückchen heutzutage noch zum Laufen überreden. Als kleinen Bonus kann damit das Adventure ebenso in einer alternativen Fassung gespielt werden, bei der das Intro zwar im Kern gleich abläuft, jedoch auf komplett andere Grafiken setzt. Amiga-Spieler schauen indes in die Röhre: Denn in ihrer Version fehlt das Einleitungsfilmchen komplett.
Hinweis: 'Flight of the Amazon Queen' ist mittlerweile Freeware
Zusammen mit 'ScummVM' kann auf den Seiten des Projekts das Adventure komplett legal und kostenfrei bezogen werden
(Zum Download). Zum Spielen wird 'ScummVM' voraussgesetzt, was sich ebenfalls kostenlos dort findet.

Die Qual der Wahl
Selten ist es so schwer, die richtige Version zu empfehlen, da jede ihre expliziten Vor- und Nachteile besitzt. Die PC-CD-ROM-Version ist zwar mit ihren 256 Farben die optisch schmackhafteste Fassung, mit der deutschen Sprachausgabe allerdings kaum zu ertragen. Daher sollte man die schleunigst abschalten oder gleich zur Diskettenversion greifen. Dann sollte aber auf jeden Fall die Roland-MT-32-Emulation verwendet werden, mit der die musikalische Untermalung runder klingt. Fragt man uns: Wir empfehlen ganz klar die Amiga-Version - und das mit Nachdruck - welche übrigens auch am PC via 'ScummVM' problemlos den Dienst antritt. Natürlich besitzt die ihre prägnanten Nachteile: Keine CD-ROM-Fassung und man muss sich mit der Diskettenvariante anfreunden, die wiederum ausschließlich in englischer Sprache vorliegt. Obendrein ist der Farbtopf weit weniger üppig. Mehr als 32 Farben gibt's nicht. Dafür ist der melodische Klangteppich dem PC-Pandon um Jahre voraus und bietet mit Abstand die schönsten Melodien. Und da die praktisch die gesamte Spielzeit vor sich hin dudeln, sollte man das nicht einfach unter den Teppich kehren. Sich zu entscheiden, mag nicht leicht sein, aber das Adventure überhaupt nicht anzugehen, ist in jedem Fall ein großer Fehler!
Das verschmähte Meisterwerk
Man machte mit ‚Flight of the Amazon Queen‘ so manche Fehler. Die CD-ROM-Talkie-Version gerade im wichtigen Adventure-Markt Deutschland derart zu verpatzen, ist eigentlich unverzeihlich. Selbst als große Fans des Spieles können wir hier kaum schöne Worte finden. Was nützt ein Christoph Waltz, wenn der Rest der Sprachausgabe so miserabel ist, dass man kaum hinhören kann? So bekam der Titel eine traurige Berühmtheit und führt noch heute gern die Listen der schlechtesten deutschen Vertonungen überhaupt an. Im krassen Gegensatz dazu stand immer die Amiga-Version. Dort galt das Adventure als einer der letzten großen Titel des Genres, die für diesen Computer überhaupt erschienen sind – unbeeindruckt von der Tatsache, dass es dort nur auf Englisch zu haben war. Trotz damals magerer Kentnisse dieser Sprache kauften wir uns eben diese Amiga-Fassung zum Neupreis und bereuten die Anschaffung nicht eine Sekunde. Erschraken aber bis ins Mark, als wir die PC-Version und damit Joe zum ersten Mal hörten. Denn der macht mit seiner Performance einen Großteil des Charmes schnell zunichte, den das Adventure eigentlich innehat. ‚Flight of the Amazon Queen‘ hat das Herz am rechten Fleck und verdient die Chance durchgespielt zu werden. Für uns gehört es gar mit zum Besten, was das Genre jemals hervorbrachte. Gebt Joe King daher eine Chance: Er hat sie verdient!
[ Klassiker-Test (neu aufgelegt) _ 12.01.2017 ]
