
Hersteller: | LucasArts / Double Fine Productions |
Vertrieb: | Double Fine Productions |
Steuerung: | Maus / Gamepad |
Systemanforderungen: | Windows 7/8/8.1/10 / Intel® Core™ 2 Duo 2,4 GHz oder AMD Athlon™ X2 2,8 GHz / 4 GB RAM / NVIDIA GeForce GTX 260 oder ATI Radeon 4870 HD oder Intel HD 4000 / ca. 8 GB Festplatte |
USK: | Freigegeben ab 12 Jahren (Original) |
Deutsch: | Komplett |
„Immer, wenn ich Asphalt rieche, denke ich an Maureen. Das Letzte, woran ich mich erinnern konnte, bevor mir schwarz vor Augen wurde: der schwere Geruch von Asphalt. Und das Erste, was ich sah, als ich aufwachte, war ihr Gesicht. Sie sagte, sie würde mein Bike wieder in Ordnung bringen. Umsonst. Ohne Haken. Aber ich hätte wissen müssen, daß die Dinge niemals so einfach sind. Ja, wenn ich an Maureen denke, denke ich an zwei Dinge: Asphalt ... und Ärger.“Wie oft haben wir diese Worte Bens in der Einleitung bereits vernehmen dürfen? Ehrlich gesagt, wir wissen es selbst nicht, doch es dürfte sich im oberen zweistelligen Bereich bewegen. Und wer so oft ein Intro gesehen hat, der beginnt irgendwann etwas damit zu verbinden. Zurückblickend fällt uns dabei auf, dass es gar nicht mal so viele Titel gibt, welche den Hauptprotagonisten zu Beginn nachdenklich über die folgende Geschichte resümieren lassen. Dieses interessante Stilmittel impliziert zwar, dass der Held die Geschehnisse überlebt, steht in diesem Fall aber nach all den Jahren gar stellvertretend für das Adventure selbst. Man hört kaum die ersten Worte und schon schießen die vielen Erinnerungen in den Kopf. Ob der Macher Tim Schafer damals bereits wusste, was er für einen Klassiker erschaffen würde – und dass sich Fans noch nach über zwanzig Jahren an ‚Vollgas‘ erinnern würden?

„Das ist eine Falle!“
Eigentlich könnte das Bikerleben so gemütlich sein. Einfach quer über die zahllosen Highways brettern, hin und wieder mal einen Zwischenstop einlegen und sich dann wieder auf‘s Motorrad schwingen. Keine Probleme, einfach nur unterwegs sein. Dumm nur, dass ohne echte Arbeit irgendwann Ebbe in der Vereinskasse herrscht. Dieses Problem hat auch Ben mit seiner Gang der Polecats. Durch Zufall begegnen sie aber Malcolm Corley – Chef des einzig noch existierenden Motorradherrstellers in der Gegend – und erhalten prompt ein Angebot gegen Bezahlung auf deren alljährlichen Aktionärsversammlung vorzufahren. Dummerweise hat dessen Assistent – Adrian Ripburger – da ganz anderes im Sinn: Denn der plant seinen Vorgesetzten feige zu ermorden, um die Leitung Corley Motors zu übernehmen. Die raubeinigen Polecats kommen ihm da als Sündenböcke natürlich gerade recht. Denn wer würde denen schon glauben? Leider kann Ben das Unheil nicht mehr verhindern und muss tatenlos mit ansehen, wie seine treue Gang in die Falle tappt und Ripburger seinen Plan in die Tat umsetzt. Gejagt von der Polizei muss das Bikeroberhaupt nun die Hintergründe aufdecken, um damit die Westen der Polecats wieder rein zu waschen.
1995: Der Start einer neuen ‚LucasArts‘-Ära
Mit rund einer Million US-Dollar Budget war ‚Vollgas‘ seinerzeit das teuerste Machwerk der ‚LucasArts‘-Schlauköpfe überhaupt. Allerdings schien selbst das für die vielen Ideen kaum zu reichen. Während der Entwicklung stellte sich nämlich heraus, dass das Projekt einfach zu ambitioniert war. Fuhr man mit den Vorprodukten gern zweigleisig mit CD-ROM- und Diskettenversion, wollte man dieses Mal die Floppies außen vor lassen. Doch anders wäre das wohl ohnehin nicht machbar gewesen: Vorgerenderte Zwischensequenzen und ein komplett digitaler Soundtrack ließen die Datenmenge auf über 500 MByte anschwellen. Verteufelt viel für diese Zeit. Und da ein Release mit rund 350 HD-Disketten wenig kundenfreundlich sein dürfte, blieb den einstigen Kaliforniern diesbezüglich keine Wahl. Damit gingen sie jedoch gleichzeitig auch ein gewisses Risiko ein: 1995 waren CD-ROM-Laufwerke nämlich alles andere als in jedem Haushalt angekommen. Gestärkt durch die Veröffentlichung von ‚Rebell Assault‘ des hauseigenen Studios zwei Jahre zuvor, schien man sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein. Immerhin gab‘s das ebenfalls nur auf CD-ROM. Heute gilt der Star-Wars-Titel in den Videospiel-Geschichtsbüchern als heißester und offensichtlichster Kandidat, dass sich seinerzeit CD-ROM-Laufwerke wie geschnitten Brot verkauften. Den mutigen Schritt ebenfalls mit ‚Vollgas‘ einzuschlagen, zahlte sich letztlich jedenfalls aus. Mit angepeilten 100.000 verkauften Einheiten übertrafen die Verkäufe jegliche Erwartungen und Prognosen: Rund eine Million Kopien sollen letztlich weltweit über die Ladentheke gegangen sein.
![]() |
2017: Der Remaster
Nach derart guten Verkaufszahlen und einer dicken Fan-Gemeinde im Rücken sollte eine überarbeite Fassung eigentlich nicht lange auf sich warten lassen. Immerhin befinden wir uns derzeit noch mittendrin in der Remaster-Welle, die so ziemlich in jedem Genre derzeit ihr Unwesen treibt. Nichtsdestotrotz gingen für ‚Vollgas‘ ganze 22 Jahre ins Land. Zuerst allerdings das Offensichtliche: ‚Vollgas‘ verliert mit der Neuauflage seinen deutschen Namen und hört ab sofort nur noch auf ‚Full Throttle Remastered‘. Sicherlich verschmerzbar, dennoch irgendwie auch schade. Ansonsten besticht der Titel mit allen Raffinessen, die man von einem Remaster erwarten darf. Sämtliche Locations stehen beispielsweise sogar bis zur voluminösen Auflösung von 4K (4096 × 2160 Pixel) zur Verfügung, durch welche die originalen Bildpunkte von 320x200 ganz schön mickrig wirken. Wie gehabt kann jederzeit per Tastendruck das Spielgeschehen zwischen alt und neu umgeschaltet werden. Dabei sieht man ebenfalls, dass hier nicht lediglich jede pixelige Kante abgefeilt, sondern zudem der sichtbare Bereich nach links und rechts für die Breitbildformate erweitert wurde. Der Soundtrack von den ‚The Gone Jackals‘ klang im Original bereits zeitlos und erschallt nun in aufpolierter Stereo-Qualität noch pompöser. Die Sprachausgabe steht in allen veröffentlichten Variationen direkt zur Verfügung, wobei Text und Ton beliebig kombiniert werden dürfen. Sprachtechnisch verbessert scheint allerdings nur der englische Original-Ton, der mit Mark „Luke Skywalker“ Hamill noch immer über jeden Zweifel erhaben ist. Die deutsche Spur entspricht – soweit wir das beurteilen können – so ziemlich genau der Erstlingsfassung von 1995, welche wir aus nostalgischen Gründen allerdings präferieren. Richtig Arbeit hatte ‚Double Fine‘ übrigens mit den zahlreichen Fahrsequenzen, die wir später im Text näher erläutern. Die lagen nämlich in der ehemaligen Kultfabrik ‚LucasArts‘ nicht mehr vor und mussten komplett neu erstellt werden. Leider treffen die unserer bescheidenen Meinung nach nicht ganz den Nerv von einst, erscheinen uns jedenfalls schlichtweg einen Tick zu hell und freundlich, was vor allem beim direkten Vergleich auffällt. Richtig toll finden wir die Entwicklerkommentare. Tim Schafer und Konsorten geben einige echt interessante Anekdoten der damaligen Entwicklung zum Besten. Für Fans absolut empfehlenswert!
Weniger Rätsel – mehr Road-Movie
Wie Tim Schafer in den gelungenen Entwicklerkommentaren erwähnt, überkam ihm beim Erstellen des ersten Rätsels ein Sinneswandel. Für ‚Vollgas‘ wollte er unbedingt neue Wege gehen und die Rätselkost anders gestalten als in den vorherigen Titeln. Und diese Veränderung ist deutlich spürbar: Nicht nur, dass Ben oft nicht mehr als eine Handvoll Gegenstände mit sich herumträgt, erwarten den Spieler deutlich weniger Grübeleien – und die sind oft auch noch ziemlich offensichtlich lösbar. Dadurch ist Länge des Titels recht überschaubar. Neulinge sind nach rund 6 Stunden durch, wissende Biker brauchen nicht mal zwei Stunden bis zum Abspann. Des Weiteren gibt es einige Action-Abschnitte, in denen Ben entweder Kontrahenten von einem fahrenden Motorrad prügelt oder in einem Destruction Derby mitmischt. Sowohl die wenigen Rätsel, die damit verbundene kurze Spielzeit sowie die genannten Action-Parts zählten schnell zu den größten Kritikpunkten. Und tatsächlich wünscht man sich am Ende schon, der Titel wäre länger gewesen. Wer hingegen mit den Prügeleinlagen oder dem Destruction Derby nichts anfangen kann, der sollte in unseren Hinweis-Kasten schauen. Allerdings macht das Überspringen dieser Passagen die Bikertour noch kürzer als sie ohnehin schon ist. Davon abgesehen ging man mit der grafischen Präsentation damals komplett neue Wege: Das Inventar erscheint nur noch auf Tastendruck, klassische Verben sind ebenso Vergangenheit. Stellvertretend dafür steht die Symbolik eines Totenkopfs, bei dem die Augen für „Betrachten“, ein Fuß zum beherzten Tritt oder der Mund für die Aktion „Reden“ steht. Das ist derart intuitiv, dass man es nach wenigen Mausklicks bereits so sehr verinnerlicht als wäre es nie anders gewesen. Für die Remastered-Version nahm man übrigens nachträglich kleinere Änderungen vor: So lässt sich nun einstellen, ob man die rechte Maustaste für das Inventar gedrückt halten muss oder eben nicht. Außerdem dürfen mit Gamepad bewaffnete Biker sich darauf freuen, dass dieses nun nicht nur voll unterstützt wird, sondern obendrein richtig gut funktioniert.
Hinweis: Wer mit den Straßenkämpfen oder dem Destruction Derby nichts anzufangen weiß oder sie schlicht nicht mag, kann diese mittels der Tastenkombination "linke Shift-Taste + V" direkt für sich entscheiden.

Damals war alles manches besser
Liegen für uns die positiven Aspekte, vor allem bezogen auf die Grafik, beim Remaster klar auf der Hand, so fehlt es doch an der ein oder anderen Stellen ein wenig an Feinschliff. Manche Hintergrundanimationen – wie beispielsweise die bewegenden Wolken hinter Maureens Hütte – sind in der neuen Fassung nicht mehr animiert und kosten gegenüber dem Original Atmosphäre. Außerdem werden die musikalischen Übergänge zwischen einzelnen Szenen unverständlicherweise oft einfach plump abgeschnitten, statt diese wie 1995 weich ausklingen oder angenehm ineinander überblenden zu lassen. Es scheint so, als hätte man das iMuse-System des Originals komplett ignoriert. In unseren Augen einer der unangenehmeren Punkte der Neuauflage, weil sie im Vorbild einfach so verdammt gut funktionierten. Ebenfalls gibt‘s einige unerklärliche Probleme mit der Sprachausgabe. Trotz deutschem Ton schien hin und wieder plötzlich das Englische für einen Moment hervorzubrechen. Etwas zwiegespalten sind wir jedoch von der Entscheidung, die schwarzen Augen der Figuren in einigen Cutscenes auch im Remaster zu übernehmen. Damals der geringen Pixelanzahl geschuldet, gilt für 4K diese Begründung aber nun nicht mehr. Natürlich kann man das sehen wie man möchte. Letztendlich steht die aufpolierte Fassung zwar überwiegend in Sachen Bild- und Ton-Qualität besser als die Erstfassung da, die kleinen Baustellen dürfen von ‚Double Fine‘ jedoch gern noch mit Patches angegangen werden.
Tolle Neuauflage des Klassikers – mit wenigen Abstrichen
Mit ‚Vollgas‘ beziehungsweise ‚Full Throttle Remastered‘ liefert Entwickler ‚Double Fine‘ wahrscheinlich die bisher aufwendigste Überarbeitung eines Adventure-Klassikers. In Full HD sieht der Titel jedenfalls unglaublich aus, von der 4K-Auflösung ganz zu schweigen. Generell wirken die Grafiken weniger „rundgelutscht“ als noch in ‚Day of the Tentacle Remastered‘ und die Sound-Qualität ist ebenfalls ein krasser Gegensatz zum Original. Leider finden sich dennoch ein paar Patzer: Hin und wieder springt die Tonspur kurz in die falsche Sprache und die musikalischen Übergänge klingen arg unschön oder enden abrupt. Hier sollte man definitiv noch einmal ran! Zum Spiel selbst: Ja, es ist kurz und ja, es hat durch die wenigen Rätsel und die ungeliebten Action-Abschnitte schon Anlass zur Kritik. Nichtsdestotrotz motiviert die spannende Handlung stetig zum Weiterspielen und besticht mit interessanten Charakteren. Wäre es dieser Tage komplett neu erschienen, hätte es sicherlich ebenso Freunde gefunden. Vor allem die leichten und überschaubaren Rätsel scheinen heutzutage gar besser zu passen als anno 1995. Denn immerhin gehen viele Adventure-Entwickler dieser Tage stetig mehr in die Richtung, sich weniger auf die Rätsel, denn auf die eigentlichen Charaktere sowie die Geschichte zu konzentrieren. ‚Vollgas‘ bot das bereits vor rund 22 Jahren. Für uns zählt es jedenfalls bis heute mit zu den besten Adventures aller Zeiten, welches wir unzählige Male im Original erlebten. War die Neuauflage in unseren Augen notwendig? Ganz ehrlich: Nein, denn mittels ‚ScummVM‘ oder ‚DOSBox‘ treten die in die Jahre gekommen Bits und Bytes von damals noch immer problemlos ihren Dienst an. Dass uns die Neuauflage allerdings trotzdem großen Spaß bereitete, können wir nicht unter den Tisch kehren. Wir empfehlen das Adventure daher den Neulingen unter Euch im Genre, welche die Chance nutzen möchten, einen Klassiker in aufpolierter Form nachzuholen. Veteranen sollten schauen, ob ihnen die aufgehübschte Grafik, der bessere Ton und die sehr interessanten Entwicklerkommentare den Preis wert sind. Mit dem fairen Startpreis von rund 15€ kann man jedoch in unseren Augen nichts falsch machen.
[ ( dieses Review ersetzt den Klassiker-Test des Originals ) _ 23.05.2017 ]
