Das Westwood-Adventure 'Blade Runner' machte es vor und bot einen Blick in eine düstere Zukunft, in der Konzerne die Macht unter sich aufteilen und der einzelne Mensch in der Masse zu einem Nichts verkommt. Auch 'Goin‘ Downtown' versucht sich an einer Zukunftsphantasie, die vielleicht auf den ersten Blick freundlicher ausschaut, doch im Grunde genau die gleiche Botschaft vermittelt, wie einst Westwoods Meisterwerk.
Wir schreiben das Jahr 2072. Die Welt hat sich inzwischen ganz entscheidend verändert. Die Bevölkerung haust in kleinen Kämmerlein, die an industrielle Brutstätten für die Hühnerzucht erinnern. Eingepfercht in diesen engen Behausungen unterliegen die Bürger unzähligen Regeln, denen sie sich tunlichst zu beugen haben – sonst drohen harte Strafen. Denn während in unserer Gegenwart der elektrische Stuhl zu Recht unter großer Kritik steht, kommt der im Jahre 2072 sogar noch deutlich öfter zu Einsatz. Wer von der Staatsgewalt beschützt werden möchte, der muss einen möglichst hohen Steuerstatus besitzen. Ein Bürger, der wenig zahlt, bekommt nicht mehr von der Justiz, als er gegeben hat. Mit diesem Umstand muss sich auch der junge Cop Jake McCorly täglich auseinandersetzen. Doch dem noch nicht schlimm genug, läuft es auch privat nicht gut bei ihm, denn er verlor seine Frau bei einem Gewaltverbrechen. Das hat ihn den Drogen und dem Alkohol zugewandt. Doch er sollte seine Chance bekommen. Eines Tages findet er nämlich die junge Prostituierte Rose bewusstlos auf dem Bürgersteig. Er nimmt sie mit in seine enge Behausung und bietet ihr ein Bett für die Nacht. Das scheint die junge Frau auch bitter nötig zu haben, wirkt sie doch vollkommen apathisch. Als Jake jedoch am Morgen erwacht, ist die Dame verschwunden. Das Fenster ist sperrangelweit geöffnet und er ahnt schon Böses. Leider werden seine Befürchtungen bewahrheitet, denn Rose ist aus seinem Apartment in den Tod gesprungen. Warum hat sie das nur getan? Diese Frage lässt den jungen NYPD-Cop nicht mehr zur Ruhe kommen. Doch auf offizielle Hilfe kann er nicht hoffen. Prostituierte haben in dem menschenfeindlichen System praktisch auf keine staatliche Hilfe zu hoffen. Jake wiedersetzt sich und beginnt seine eigenen Nachforschungen, um aufzudecken was die junge Rose in den Freitod trieb …
Cyperpunk im Comic-Look
Für die grafische Umsetzung bediente sich die Schmiede 'Silver Style Entertainment' an der Technik des „Toon-Shadings“. Das ähnelt im groben Aufbau dem bereits mehrfach in anderen Produkten genutzten „Cell-Shading“ und sorgt dafür, dass das Adventure im perfekten Comic-Look erstrahlt. Und das kann sich, unserer Meinung nach, auch wirklich sehen lassen. Vor allem in hohen Auflösungen sieht das Endergebnis schlichtweg grandios aus. Wäre der Mauspfeil nicht, könnte man an vielen Stellen vergessen, dass es sich hierbei um ein PC-Spiel handelt. Einziger Störfaktor ist bei dieser grandiosen, grafischen Umsetzung die fehlende Lippensynchronität zum gesprochenen Wort. Da bei Dialogen in eine besondere Nahansicht gewechselt wird, hätte man gerade auf diesem Aspekt achten können. Entschädigt wird zum Teil durch zuschaltbare Untertitel, die dann nicht einfach nur plump eingeblendet werden, sondern stilecht in Sprechblasen daherkommen. Unnütze Persönlichkeiten werden obendrein als so genannte „Konturenmenschen“ dargestellt – also sie sind schlichtweg grau und ohne Textur. Mehr Comic-Look geht praktisch nicht mehr.
Deutsch Deluxe
Besonders hervorzuheben ist auch die brillante, deutsche Sprachausgabe, die man nur in den höchsten Tönen loben kann. Es gibt ein Wiederhören mit allerhand bekannten Stimmen wie Will Smith, Nicole Kidman, Antonio Banderas, Jennifer Lopez oder George Clooney – wobei der erst Genannte die Rolle des Hauptprotagonisten Jake übernimmt. Leider täuscht diese akustische Dominanz nicht darüber hinweg, dass sämtliche Charaktere nur sehr oberflächlich behandelt werden. Vor allem bei Jake, der seine Frau verlor, hätten wir uns deutlich mehr Tiefe gewünscht. Man erfährt zwar zu Beginn von seinem Kummer, doch das hat man bis zum Finale längst wieder vergessen, weil kaum mehr Bezug dazu genommen wird. Jake bleibt daher austauschbar und ist für den Spieler, selbst nachdem der Abspann auf dem Monitor flimmert, immer noch ein Fremder. Das liegt aber nur zum Teil an dem rudimentären Bezug zu den Charakteren. Die extrem kurze Spieldauer tut nämlich das Übrige: Nach maximal zwei Spielabenden ist das Rätsel um Roses Tod bereits gelüftet, was zusammengenommen um die fünf, sechs Stunden Spielzeit ist. Und das gilt auch für Anfänger. Denn die Rätsel sind allesamt sehr einfach gestrickt und liegen oft auf der Hand. Kurzes Nachdenken erfordern maximal die vierdimensionalen Denksportaufgaben. Denn genau wie in 'Everlight' kann auch in 'Goin‘ Downtown' jederzeit per Knopfdruck zwischen Tag und Nacht gewechselt werden. Manche Orte können daher nur zu einer bestimmten Tageszeit besucht und so manches Rätsel dann erst gelöst werden. Sollte man doch einmal nicht mehr weiterwissen, hilft die eingebaute Komplettlösung, die in drei Schritten den Spieler auf den richtigen Weg bringt. Wie gehabt, stupst Stufe eins den Abenteurer auf den richtigen Weg, Nummer zwei wird deutlicher und die letzte Etappe zeigt dann buchstäblich mit dem Zeigefinger drauf.
Hervorragende Steuerung
Jake lässt sich während seiner Suche nach der Wahrheit fast perfekt durch die Locations dirigieren. Die Steuerung wurde weitestgehend optimiert und bietet neben bekannten Sachen, wie einer Hotspot-Anzeige per Tastendruck, außerdem ein neues Feature. Das äußert sich darin, dass der junge Gesetzesvertreter vollkommen automatisch die Beine in die Hand nimmt, wenn man auf einen Punkt klickt, der etwas weiter in einer Location entfernt ist. Damit entfallen lästige Wartezeiten. Dazu trägt auch die Karte bei, mit der man blitzschnell von A nach B düsen kann, ein Doppelklick wechselt die Location ohne Umschweife. Hat man den Faden verloren, kann man im Tagebuch die nächsten Aufgaben einsehen – vorbildlich!
'Goin' Downtown' ist kein 'Blade Runner'
Tolle Grafik, tolle Sprachausgabe, exzellente Steuerung – diese Punkte zeichnen das Positive in 'Goin‘ Downtown' aus. Doch es ist eben nicht alles Gold was glänzt. Die kurze Spielzeit, die teils übertrieben simplen Rätsel und die sehr oberflächlich gehaltenen Charaktere übernehmen den Contra-Part. Nicht unerwähnt sollte man an dieser Stelle außerdem den thematisch, teils völlig verfehlten, Soundtrack lassen. Der dudelt in so einer Fahrstuhl-Manier vor sich hin, dass er irgendwann nur noch stört. Außerdem riss uns dieser Umstand immer wieder aus der Spielwelt heraus, als wir gerade so richtig eingetaucht waren. Ein weiteres Manko war auch der äußerst kompromisslose Kopierschutz. Der hat nämlich so seine Probleme mit gewisser Sicherheitssoftware. Tatsächlich konnten wir 'Goin Downtown' nur nutzen, als wir die Firewall restlos deinstalliert hatten – das betrifft die Installation und das Adventure selbst. So etwas muss nicht sein. Bei den hohen Raubkopierzahlen sicherlich nicht unverständlich, aber wenn man mit seinen Kopierschutzmechanismen ehrliche Kunden straft, geht das schlichtweg zu weit. Doch wir wollen nicht unfair sein. Der Fehler trat nicht bei jedem Sicherheitstool auf. Die eben benannten Probleme gab’s lediglich mit verschiedenen Versionen von 'Bitdefender', 'Outpost Firewall Pro' oder 'Spywaredoctor'. Dass dieses Problem mit einem Patch behoben werden sollte, empfinden wir als selbstverständlich. Davon abgesehen hat uns das Spiel nur bedingt begeistert. 'Goin‘ Downtown' ist ein durch und durch solider Titel, der Spannung an den Schreibtisch bringen kann, doch Potenzial verschenkt. Wer hier ein Abenteuer á la 'Blade Runner' erwartet, wird leider enttäuscht. Gegen Ende möchte man zwar unbedingt wissen, wie’s ausgeht und was Rose wirklich zustieß, jedoch wird auf dem Weg zur Wahrheit zu sehr auf die Geschichte und kaum auf die Charaktere eingegangen.
[ 17.06.2008 ]
Kommentare R.:
Schöner Bericht - vielen Dank!
(19.06.2008 _ 10:44:29)Lamar:
Zuerst dachte ich ja, was eine Scheiße, ich habe mein Spiel bekommen, direkt los gelegt und wollte das Spiel starten.
Da kam eine Error Meldung von wegen Game.exe und Kernel.ddl Datei usw. Ich habe alles mögliche über Stunden versucht, und habe dieses Spiel nicht zum laufen gebracht. Es ist immer zum Desktop gesprungen.
Nach Std dachte ich mir, ich setze meinen Pc zurück zum ersten Sicherungs Datum, da war der PC noch ziemlich Jungfräulich, und VOILA - Das Spiel funzte sofort und direkt.
Ich kann nur sagen, es ist ein Cooles Spiel, was wirklich sehr gut zu spielen ist. Top Handhabung - Tolle Sprachausgabe - schnelle Location Wechsel - einfach alles fliessend.
Ich kann dem Spiel nichts schlechtes Andichten. Erinnert bissl an "Captain Future" :-))
Von der Grafik her ist es kein klassisches 2D oder 3D Grafik Adventure. Aber es macht wirklich Spass es zu spielen. Und es ist auch nicht ganz so schwer, und man hat einen Tag/Nacht Wechsel im Spiel. Kommt man am Tag mal nicht weiter, versucht man es einfach im Nacht Modus :-))
(07.01.2009 _ 13:33:18)Jan:
Die anfängliche gute Story ist im Verlauf des Spieles leider ein wenig verlorengegangen. Rätsel waren eher simpel und im Endeffekt hab ich nur ca. 12 Stunden gebraucht, um das Adventure zu beenden.
Von daher ist es viel zu kurz, bietet aber Spielern, die insbesondere das "Blade Runner"-Szenario mögen, zumindest ein wenig Kurzweil.
Die Charaktere sind sehr gut synchronisert und die Grafik wirkt bis auf wenige Ausnahmen stimmig. Wie gesagt fällt die kurze Spielzeit und das sehr schlechte Rätseldesign negativ auf.
Daher bekommt es nur 5/10 Punkte auf meiner Bewertungsskala.
(26.02.2011 _ 00:01:33)
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