Nachdem im Jahre 2006 mit George und Nicos viertem Abenteuer der bislang schwächste Teil der Reihe erschien, wurde nicht zwangsläufig bei jedem der Ruf nach einer Fortsetzung laut. Bereits mit ‚Baphomets Fluch III‘ und dem Wechsel von todschicker, handgemalter Optik zu einer 3D-Engine öffnete Tür und Tor für allerhand Kritik seitens der Fans. Als dann auch noch im Jahre 2008 ein Fanadventure von ‚mindFactory‘ erschien, das die alte 2D-Optik in voller Stärke wieder auf die heimischen Bildschirme holte, fragten sich nicht Wenige zurecht, warum das von offizieller Seite nicht mehr möglich sein sollte. 2012 dann plötzlich der Umschwung: Charles Cecil, Chef von ‚Revolution Software‘ und geistiger Vater der Reihe, warb auf der Crowdfunding-Plattform ‚Kickstarter‘ um Unterstützung für einen fünften Teil der Reihe. Der sollte die Notbremse ziehen und ganz im Sinne seiner Wurzeln sein: Zurück zur Zweidimensionalität. Mittlerweile ist ‚Baphomets Fluch V – Der Sündenfall‘ erschienen und was nun dabei herausgekommen ist, entfernt sich deutlich von den Experimenten des dritten und vierten Teils und bietet Fan-Service in seiner reinsten Form. Wir haben uns das komplette Abenteuer angeschaut und ignorieren ganz offen den Umstand, dass es eigentlich in zwei Episoden erschien.
Katalonien, Spanien, 1937: Es herrscht Bürgerkrieg und die Faschisten überfallen ein kleines Anwesen in West-Spanien, um in den Besitz eines alten Familienerbstücks zu gelangen: dem Gemälde „La Maledicció“. Die Anwohner versuchen ihr Bestes, das Werk und sich selbst in Sicherheit zu bringen, doch bis auf eine junge Mutter und ihr Kind kann niemand entkommen und fällt den Kugeln der Angreifer zum Opfer.
Sprung in die Gegenwart: George hat einmal mehr den Beruf gewechselt und arbeitet mittlerweile für eine Kunstversicherung. In dessen Auftrag wohnt er einer privaten Pariser Ausstellung bei, in dessen Sammlung sich zufälligerweise auch das einst gestohlene Gemälde „La Maledicció“ befindet. Doch die geschichtlichen Hintergründe des Bildes sind ihm nicht bekannt, weshalb er sich viel mehr darüber freut, seine Freundin Nico nach langer Zeit endlich wiederzusehen. Leider bleibt keine Zeit, das Wiedersehen zu feiern, denn einmal mehr sind beide zur falschen Zeit am falschen Ort und müssen mit ansehen, wie die Galerie direkt an ihrem Eröffnungstag ausgeraubt wird. Der Räuber scheint es auf das spanische Gemälde abgesehen zu haben und schießt auf seiner Flucht obendrein den Galeriebesitzer über den Haufen. Kaum vom Schock erholt, ahnt George jedoch recht schnell, dass der Raubmord nicht nur zum Himmel stinkt, sondern verdächtig nach Versicherungsbetrug riecht. Und als Angestellter der Versicherung, die das Ganze betreut, sieht er sich in der Pflicht, Beweise zu sammeln, die seinen Verdacht erhärten. Doch es wäre kein echtes ‚Baphomets Fluch‘, wenn da nicht noch viel mehr dahinter stecken würde …
Back to the Roots
Nach dem Start fällt selbstverständlich direkt die Rückkehr zur doch so geschätzten Zweidimensionalität auf. So zeigen sich die Hintergründe wieder im schick handgezeichneten Look und lassen damit die Optik seiner beiden Vorgänger weit hinter sich. Die Charaktere selbst sind jedoch nicht handgezeichnet, treffen aber trotz der Tatsache, dass es sich um 3D-Figuren handelt, die mit Cel-Shading-Look überzeichnet sind, den richtigen Nerv. Allerdings schwankt die optische Präsentation etwas in der Qualität, so dass einige Hintergründe schlicht wunderschön anzusehen sind, während andere beinahe etwas detailarm wirken. Gegen Ende des Spieles macht sich das in unseren Augen recht deutlich bemerkbar, vor allem, wenn man das dort Gesehene direkt mit dem Anfang in der französischen Hauptstadt vergleicht. Nahaufnahmen bestimmter Gerätschaften wirken im Übrigen teilweise so detailarm, dass sie beinahe wie ein Handy-Spielchen wirken. Einen echten Anlass zur Kritik bietet das aber trotzdem keinesfalls. Das Adventure präsentiert sich zwar mit Qualitätsschwenks, dennoch stilsicher und zu einem großen Teil schlicht wunderschön.
Durchweg bekannte Gefilde
Wenig unauffällig sind die vielen Parallelen mit den beiden 2D-Vorgängern aus den 1990er Jahren. Vor allem blitzen mehr als genug Elemente auf, die so direkt aus dem ersten Teil stammen könnten: Der gesamte Anfang, die Rückbesinnung zum sehr investigativen Stil und selbst einige neue Charaktere wirken gar wie seichte Kopien ihrer Vorgänger. Doch ganz nach dem Motto „Gut geklaut, ist besser als schlecht selbstgemacht“ sind diese Anleihen aus dem Original nicht unbedingt schlecht – obgleich man hier letztlich auch von sich selbst stibitzt hat. Denn für ‚Baphomets Fluch V‘ waren einmal mehr wieder bekannte Namen wie Charles Cecil und Steve Ince am Werke, die bereits George in den 90ern das Leben überhaupt erst einhauchten. Etwas übertrieben hat man es allerdings mit dem Wiedersehen alter Bekannter im Adventure selbst. Das kann man natürlich sehen, wie man möchte, doch in Teil fünf sieht man beinahe Georges gesamten Freundeskreis aus dem Original von 1996 wieder. Und das ist schlicht derart übertrieben zufällig, dass es einfach schon aufgesetzt wirkt. So könnte man glatt meinen, die Welt bestehe nur aus den paar Personen, die man in den Vorgängern bereits getroffen hat. Die recht menschenleeren Kulissen unterstreichen leider diesen Eindruck zusätzlich: Es ist egal, ob George und Nico durch das eigentlich überlaufene Paris oder durch andere Touristenhochburgen watscheln, die Straßen wirken stets so leer als befände man sich in einem abgelegenen Dorf irgendwo im Nirgendwo – und das sonntags zur Mittagsstunde.
|
|
Exzellent in Deutsch
Sehr gut gefallen haben uns die gut bis sehr gut geschriebenen Dialoge und das zahlreiche Wiederhören mit vielen bekannten Rednern aus den Vorgängern. Allen voran haucht natürlich Alexander Schottky zum mittlerweile sechsten Mal (wenn man das inoffizielle Fan-Adventure von ‚mindFactory‘ mitzählt) George Stobbart so gekonnt Leben ein, dass man sich für den gar keinen anderen Sprecher mehr vorstellen kann. Sogar verschollen geglaubte Redner aus dem 19 Jahre alten Original wurden zurück in die schalldichten Kabinen gebeten. Dass es nicht bei allen Figuren möglich war, den einstigen Sprecher erneut ein Mikrofon vor die Nase zu halten, ist bei einer derart langlebigen Reihe nicht ungewöhnlich. Auffallen tut dies eigentlich nur bei Nicole Collard: Denn während in sämtlichen Vorgängern Franziska Pigulla für deren Rolle verpflichtet werden konnte, stand sie für Teil fünf leider nicht zur Verfügung und Petra Konradi rückte nach. Das ist tatsächlich nur in den ersten Minuten irritierend und schade. Letztlich ist es immer schwer, lange andauernde Rollen zu vertreten, bei denen Fans Figur und Stimme längst zu einer Einheit verschmelzen ließen. Was die musikalische Untermalung betrifft, konnte ein drittes Mal der australische Komponist Barrington Pheloung gewonnen werden, der nicht nur das bekannte ‚Baphomets Fluch‘-Thema schrieb, sondern sämtliche Musik für Teil eins und Teil zwei komponierte. In den beiden Nachfolgern setzte er jedoch aus, was das Wiederhören nun natürlich umso schöner macht. Leider lässt er in ‚Baphomets Fluch V‘ kaum seine Muskeln spielen und die melodische Untermalung kommt über seichte Begleitmusik selten hinaus. Die wenigen Anleihen des originalen Soundtracks schaffen zwar kurz ein Gefühl der Nostalgie, sind aber einfach zu kurz und zu selten vertreten.
Nicht alles was glänzt, muss gleich pures Gold sein
Mit rund 12 Stunden Spielzeit muss sich hier keinesfalls vor anderen Genregrößen versteckt werden. So manche Längen haben sich dann aber doch eingeschlichen. Inspektor Navet, der von der Pariser Polizei damit beauftragt wird, den Raubmord aufzuklären, gewinnt durch seine inkompetente Art nicht unbedingt Sympathiepunkte beim Spieler. Vor allem das Rätsel um eine Nachstellung des Verbrechens in der Galerie zerrt mächtig an den Nerven und brettert mit Volldampf durch die Grenze des Lächerlichen. Da hilft es dann auch nicht, dass George und Nico schnell begreifen, dass der Inspektor ein ziemlicher Esel ist. Recht früh im Spiel muss außerdem eine junge Dame davon überzeugt werden, dass es sich bei George um ihren eigentlich längst verstorbenen Ehemann handelt. Das aufgesetzte Schminkrätsel und vor allem das Ergebnis, das normalerweise selbst einen blinden Schimpansen kaum in die Irre führen könnte, muss heute einfach nicht mehr sein und fühlte sich schlicht falsch an. Etwas weniger störend, aber schon so sehr, dass es uns zumindest auffiel, ist die Nennung des Namens des Gemäldes in jedem dritten Dialogsatz. Gefühlt haben wir "La Maledicciô" und dessen besondere Aussprache derart oft gehört, dass es beinahe wie ein Ohrwurm noch immer in unserem Oberstübchen nachhallt.
Klassische Tugenden rosten nicht
Wahrlich gut gelungen sind zum größten Teil die Rätsel, die vor allem mit einer überaus starken Präsenz punkten können. Überall gibt es einfach etwas zu tun und aus dem doch recht überschaubaren Inventar der beiden direkten Vorgänger ist man am Ende des Adventures jedenfalls meilenweit entfernt. Denn zum Schluss sind die Taschen recht gut gefüllt und lassen Spielraum für allerhand Kombinationsmöglichkeiten. In den Dialogen können die dann serientypisch auch allesamt dem Gesprächspartner vorgelegt werden, was einmal mehr den ein oder anderen Schmunzler zulässt. Bleibt man mal stecken, findet sich außerdem ein mehrstufiges Hilfessystem, das mit Rat und Tat zur Seite steht. Echte Veteranen werden zwar hier keinen Klick verschwenden, doch diese Funktionalität gehört mittlerweile zum guten Ton in Adventures. Für Fans der ersten Stunde bietet sich zudem die Möglichkeit, zwischen zwei verschiedenen Interfaces zu wählen: modern und klassisch. Während das moderne Layout recht offensichtlich für Mobiltelefone ausgelegt ist, glänzt das klassische mit einer gekonnten Anlehnung an das Original. Das sieht in der Tat so aus, als habe man das alte Interface einfach in die hochauflösende Welt übertragen. Das schließt im Übrigen sogar die Untertitel mit ein. Wenn man sich nämlich dafür entscheidet, diese anzeigen zu lassen, werden die im neuen Layout als Sprechblasen, im klassischen wie im Original von 1996 in verschiedenen Text-Farben und der bekannten Schriftart von einst angezeigt. Wir konnten jedenfalls der Versuchung nicht wiederstehen und haben gänzlich im klassischen Interface gerätselt. Und das hat richtig Spaß gemacht, denn die Geschichte nach und nach aufzudecken ist zweifelsohne durchweg motivierend und klar eine große Stärke des Titels.
Fan-Service-Level 100 von 100
Was ‚Baphomets Fluch V‘ nicht verbergen kann, ist der Umstand seiner Kickstarter-Wurzeln. Obgleich Revolution-Software-Chef Charles Cecil mit den beiden 3D-Vorgängern nicht unbedingt jeden glücklich machen konnte, so versuchte er zumindest der Serie zu neuem Schwung zu verhelfen und Innovationen einfließen zu lassen. Selbst Nico hatte er in Teil vier indirekt durch die blonde Anna Maria ersetzen wollen. Dass all das bei den Fans nicht gut ankam, hat Herr Cecil jedenfalls unübersehbar zur Kenntnis genommen: Teil fünf traut sich nämlich in der Tat nur sehr wenig Neues. Nicht nur, dass grafisch ziemlich weit zum Ursprung zurückgerudert wurde, die Erzählung und Art und Weise, wie die Geschichte beginnt, wirkt beinahe wie ein Remake des ersten Teils. Das ist bei einigen der neuen Figuren kaum anders – haben die doch kräftige "Copy-and-Paste"-Anleihen früherer Rollen. Das doch sehr übertriebene und beinahe total aufgesetzt wirkende Wiedersehen mit alten Bekannten lassen wir jetzt einmal außen vor, denn das ist Geschmackssache. Uns war es jedenfalls dann doch ZU zufällig... Der Interface-Wechsel auf das klassische Layout ist ebenfalls vorhanden, um die Fans keineswegs zwingend mit etwas Neuem konfrontieren zu müssen. Der fünfte Ableger geht damit grundsätzlich absolut auf Nummer sicher, ist damit aber keinesfalls ein schlechtes Spiel. Es ist sogar weit davon entfernt! Das gekonnte Abkupfern hat nämlich auch seine positiven Seiten. Die Geschichte ist wieder deutlich ermittlungslastiger, recht spannend und man besinnt sich eben einfach auf die alten Stärken, die George Stobbart und Nico Collard einst ein eigenes Denkmal im Adventure-Olymp sicherten. Zugegeben blitzte bei uns kaum dieses alte ‚Baphomets Fluch‘-Gefühl auf, das wir Mitte der 90er verspürten, als es mit den beiden zum ersten Mal auf Ermittlungstour ging. Nostalgie ist eben nicht reproduzierbar und der neueste Streich von ‚Revolution Software‘ hat dies indes auch gar nicht nötig. Letzten Endes bekommt ‚Baphomets Fluch: Der Sündenfall‘ jedenfalls von uns eine absolut uneingeschränkte Kauf-Empfehlung! Anders können wir da gar nicht urteilen, denn fasst man alle Punkte zusammen, ist das Wiedersehen mit George und Nico einfach richtig gut gelungen! Fans der Reihe haben es ohnehin längst auf der Festplatte (und sind auch ganz klar die Zielgruppe). Allen Quereinsteigern empfehlen wir zumindest das Erstlingswerk von 1996 vorher gespielt zu haben, damit einfach die vielen Anspielungen richtig sitzen.
[ 09.01.2016 ]
Kommentare - zu diesem Artikel wurde noch kein Kommentar verfasst -
|