Befragen von Zeugen, Zusammensetzen von verschiedenen Aussagen, Lügen und Intrigen aufdecken und letzten Endes den Täter dingfest machen. Ja, Adventurier haben schon lange keinen Mord mehr auflösen dürfen, der nicht irgendeiner TV-Serie angehört. Kult-Schreiberling Benoit Sokal nimmt sich dem jetzt an und stellt den investigativen Spieler an die Seite eines Cops.
Dass Geld alleine nicht glücklich macht, redet sich der Mittelstand ja bereits seit unzähligen Jahren ein, trotz stetig steigender Lebenserhaltungskosten. Und damit scheint man auch Recht zu behalten, denn wo Geld ist, da sind auch Neider, die einem das keinesfalls gönnen und am Liebsten selbst die Kohle in der Tasche hätten. Schlimm ist’s dann nur, wenn’s die eigene Verwandtschaft oder enge Freunde sind, bei denen die Zuneigung da aufhört, wo das Geld beginnt. So ergeht es auch dem Milliardär Walter Jones, der nach einem Mammutprojekt auf der Insel Sagorah, wo er einen unmenschlich großen Turm gebaut hatte, kurz nach Abschluss der Bauarbeiten dessen tot am Strand aufgefunden wird. Recht schnell wird ein Unfall ausgeschlossen. Da es beim Turmaufziehen aber Probleme gab, kommen nicht so viele Täter in Frage. Immerhin waren lediglich zehn Personen zur Tatzeit auf der Insel, welche reihenweise Motive hatten, den alten Mann tot zu sehen. Die Belegschaft wurde bereits zuvor komplett entlassen. Doch wer war es letzten Endes? Diese Frage stellt sich auch Jack Norm von der Polizei, der extra eingeflogen wird, um Licht ins Dunkel zu bringen. Jedermann muss befragt und mit anderen Aussagen abgeglichen werden. Das Spiel ist dabei so gut durchdacht, dass der Spieler schnell auf diverse Finten reinfällt, denn verdächtig ist praktisch anfangs jeder.
Abenteuer- oder Zeitdruck-Modus, das ist hier die Frage ...
Beim Tüfteln durch die unzähligen Aussagen, Beweise und Fotos hat man gleich zu Beginn die Wahl, wie man an das Spiel herangehen möchte. Der Abenteuer-Modus setzt dabei auf Altbewährtes ohne Wecker im Rücken. Der Zeitdruck-Modus hingegen lässt andauernd die Uhr ticken und erfordert nach einer gewissen Zeit bestimmte Erfolge. Sind die nicht erbracht, darf Jack wieder nach Hause, das Spiel ist verloren und die Täterperson reibt sich die Hände. Des Weiteren agieren im Zeitdruck-Modus auch alle Charaktere in Echtzeit, sind zu bestimmten Uhrzeiten in gewissen Örtlichkeiten anzutreffen und Ereignisse geschehen zu exakten Zeitpunkten. Um auch die zeitkritische Version des Spieles zu schaffen, steht bei den Ermittlungen ein so genannter PPA (Personal Police Assistent) zur Verfügung, der die echte Polizeiarbeit mit Sicherheit revolutionieren würde. Denn der bündelt die Ermittlungen (in beiden Spielvarianten) in dreizehn Fragen, die nach einer Antwort lechzen. Jede davon muss mit einer bestimmen Kombination aus Aussagen, Beweisstücken, Fotos und Dokumenten beantwortet werden. Dies dient vor allem dazu, dass das Programm nach gelöstem Puzzle sichergehen kann, dass der Spieler auch das Bisherige verstanden hat und sich auf dem richtigen Weg befindet. Wann es so weit ist, so eine Frage aufzuklären, wird ebenfalls vom PPA verraten. Anhand einer Energieleiste sehen wir, ob wir noch was zum Beantworten benötigen. Ist die Leiste auf dem Maximum, dann positionieren wir die richtigen Beweise, Fotos und dergleichen und lösen die Frage damit auf. Die Reihenfolge der einzelnen Fragen obliegt übrigens dem Spieler, zumindest so fern sie überhaupt schon gestellt wurden. Denn rund ein Dutzend dieser stellen sich erst während der Ermittlungen.
„Wo waren Sie zum Zeitpunkt des Mordes?“
Diese Frage und unzählige andere stellt man selbstredend jedem der zehn Anwesenden. Dabei sind die Dialoge vorbildlich und absolut professionell vertont. Leicht sauer aufgestoßen ist uns beim Testen lediglich, dass Fragen immer 1:1 gleich bei den Personen wieder verwendet werden. Natürlich ist das unter dem Aspekt, dass jedermann die gleiche Frage über sich ergehen lassen muss, logisch, doch raubt exakt das gleiche Sprachsample etwas von der ansonsten geglückten Atmosphäre. Auch ist das Fehlpositionieren von Personen bei Gesprächen nicht immer nachvollziehbar. So lästert der eine über den anderen ohne Punkt und Komma und steht praktisch neben diesem. Garniert wird das dann nur noch von dem Satz, dass der Cop das aber für sich behalten solle… Da hätte etwas Mehrarbeit also nicht geschadet, wie auch bei den wenigen Animationen während der Dialoge. Ein schicker Effekt übrigens, wenn bei den Gesprächen nah an die Personen herangezoomt und der Hintergrund unscharf dargestellt wird. Doch die immer gleichen Bewegungen und die wenige Mimik trüben da leicht das Bild. Wenn man schon nah an die Personen herangeht, dann wären ein paar mehr Animationen nicht verkehrt gewesen.
Lange Spielzeit und viel zu viel Laufzeit
Die letztendliche Spielzeit von 'Sinking Island' ist absolut vorbildlich und sorgt für viele Grübelabende. Doch ist dies leider nicht nur den Ermittlungen zu verdanken, denn die Laufwege sind teils kräftig und können nur durch einen Doppelklick, womit der Charakter sprintet, leicht verkürzt werden. Ein schneller Raumwechsel ist leider nicht möglich und sollte – unserer Meinung nach – in einem Update nachgereichet werden. Denn mit den Laufwegen das Abenteuer zu strecken ist absolut unnötig, Selbst ohne ständiges Herumsprinten ist genug zu tun. Gleichsam unnötig ist im Abenteuermodus die Essenszeit. Die sollte wohl ursprünglich für mehr Atmosphäre sorgen, ist aber vollkommen nervig. Da bricht Jack das Gespräch mitten im Dialog ab und steht dann kurz dümmlich im turmeigenen Restaurant und zeigt die schwach animierte Nahrungsaufnahme. Das selbst wäre ja nicht so schlimm, doch nun muss der Spieler den kompletten Weg zum Dialogpartner erneut ablatschen, um das Gespräch zu beenden.
Sokals Welt
Sämtliche Abenteuer von Benoit Sokal besitzen stets einen einzigartigen, grafisch äußerst ansprechenden Stil, der auch bei 'Sinking Island' wieder vorzufinden ist und einfach klasse aussieht. Die warmen Farben und die vielen Details in den Locations schaffen eine einzigartige Atmosphäre, sehr dezent untermalt von dem ansprechenden Soundtrack. Sämtliche Orte sind vorgerendet, die Figuren hingegen sind echte 3D-Ergüsse. In den Grafikeinstellungen kann Ersteres mit mehr Animationen versehen und Letzterem Kantenglättung, Schattenwürfen und aufwendigere Texturfilter verpassen. Das Endergebnis kann sich dann durchaus sehen lassen: Auf der stürmischen Insel wanken die Palmen hin und her, die Charaktere spiegeln sich in einigen hochwertigen Böden und werfen einen realistischen Schatten. Einziger Kritikpunkt sind hier die auf der Verpackung beschriebenen „Kinoreifen Zwischensequenzen“. Da hatten die Entwickler aber Glück, dass man bei zwei Sequenzen bereits den Plural verwenden kann. Denn bis auf das Intro und das Extro findet sich nichts, was auf diese protzige Umschreibung hindeuten würde. Die kurzen Sequenzen beim Tageswechsel fallen zumindest nicht in diese Sparte, haben sie doch nur eine Länge von wenigen Sekunden.
Das bislang beste Sokal-Abenteuer
Spiele von Benoit Sokal sorgten bislang für zwei Lager. Die einen mochten seine Ideen, die anderen konnten mit 'Syberia' oder 'Paradise' wenig anfangen. Das ändert sich nun mit 'Sinking Island', das nur grafisch an den typischen Sokal-Stil erinnert. Das Adventure ist weniger abgehoben und kann durchaus jedermann empfohlen werden, der das zwölfte Lebensjahr erreicht hat. Die gelungene Atmosphäre des Titels und der gut inszenierte Plot, der den Spieler gern mal auf den bekannten Holzweg schickt, bleibt bis zum letzten Klick spannend und sorgt zweifelsohne für gelungene Grübelabende.
[ 15.11.2007 ]
Kommentare
BruderVerdruss:
Puuuh.....
Da hab ich wohl doch noch Glück. Nachdem ir die ersten Adventures von Benoit Sokal hervorragend gefallen haben, war ich hier ziemlich skeptisch.
Nach den Vorabbeschreibungen und ersten Kommentaren an anderer Stelle hab ich das schlimmste befürchtet (quasi eine buntere Version der Sherlock-Holmes-Adventures, die ich ja persönlich nun gar nicht so mag).
Aber anscheinend lohnen sich die zu investierenden Euro's doch.
Gruß
(17.11.2007 _ 18:51:41)
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