Mit ‚Edna bricht aus‘ machte sich die deutsche Schmiede ‚Daedalic Entertainment‘ quasi über Nacht in der Adventure-Gemeinde einen Namen. Trotz simpler Grafik, die hier und da gar an ein Flash-Spielchen im Browser erinnerte, wurde man dennoch regelrecht an die beiden sympathischen Helden Edna und ihren Plüschhasen Harvey geschweißt. Der Grund war einfach: Die Charaktere hatten echte Persönlichkeit und genügend Raum, sich zu entwickeln. Nun wagen sich die Mannen des deutschen Entwicklers an ihr zweites Abenteuer, aber dieses Mal mit deutlich ansprechenderer Grafik.
Der junge Sadwick arbeitet und lebt mit seiner kleinen Familie in einem Wanderzirkus, der quer durch die Fantasy-Welt reist. Doch obwohl er die Rolle des Clowns übernimmt, ist ihm gar nicht nach Lachen zumute. Denn er ist zutiefst deprimiert und voller Fragen. Eigenartige Albträume quälen ihn Nacht für Nacht, ohne dass er dessen Bedeutung versteht. Deshalb versucht er, der Ungewissheit ein Ende zu setzen. Doch als er von einem Orakel endlich seine Antworten bekommt, ist ihm noch mulmiger als vorher zumute: Sadwicks Schicksal soll es nämlich sein, nichts Geringeres zu tun, als die gesamte Welt zu zerstören. Wie er das anstellen soll und warum überhaupt, ist ihm nicht klar. Er weiß nur, dass wenn er der Zerstörer der Welt sein soll, dann muss er diesen Prozess unbedingt aufhalten. Von seiner Familie kann er hierbei leider keine Hilfe erwarten. Der Großvater kann sich kaum an seinen Enkel erinnern und der große Bruder nimmt ihn nicht ernst. Lediglich sein einziger Freund, die Raupe Spot, steht ihm fortan zur Seite.
Benutze Spot mit ...
Und dass er Sadwick zur Seite steht, kann wohl wörtlich genommen werden. Denn Spot hat eine interessante Fähigkeit. Kommt er nämlich mit bestimmten Dingen in Verbindung, kann er dessen Eigenschaften annehmen. So kann er sich zum Beispiel selbst entzünden oder dick und schwer machen. Das ist jedoch nicht nur nette Dreingabe, sondern hat auch einen spielerischen Zweck. Über ein spezielles Menü, das sich bei Berührung der oberen rechten Bildschirmecke entfaltet, kann man die kleine Raupe jederzeit, nachdem sie die Fähigkeit einmal verinnerlich hat, direkt in die entsprechenden Formen verwandeln und anschließend wie einen normalen Gegenstand im Inventar benutzen. Das erlaubt eine vollkommen neuartige und frische, jedoch auch gewöhnungsbedürftige, Rätselkost, weil sie eben über die üblichen Inventar- und Dialogknobeleien hinaus geht. Eingeübte Adventure-Spieler könnten daher so manches Mal den möglichen Einsatz der kleinen Raupe komplett gedanklich übersehen. Ansonsten zeigt sich ‚The Whispered World‘ außerordentlich logisch und steigert von Anfang an kontinuierlich den Schwierigkeitsgrad. Sind zu Beginn noch wenige Orte zu erforschen und wenige Gegenstände im Gepäck, nimmt die Quantität beider stetig zu und damit eben auch der Rätselgrad.
Märchenhafte Grafik
Ein großes Lob muss man den Machern durchaus in Sachen Grafik zukommen lassen. Jede Location strotzt vor Detailfreude, angenehmen Koloriten und einer tollen Atomsphäre - nicht wenige haben gehobene Konzeptzeichnungsqualität. Teilweise sind diese so vollgestopft mit schmucken Details, dass man wichtige Gegenstände kurzerhand gar übersieht und das trotz der Tatsache, dass man mit einem Tastendruck sämtliche Objekte anzeigen kann. Leider trifft diese Qualität nicht ganz auf die Zwischensequenzen zu. Die sind zwar schick anzusehen, doch fallen optisch hinter den Locations teils deutlich zurück. Ein relativ großes Manko ist auch die geringe Auflösung, die zudem nicht verändert werden kann: 1024x768 Bildpunkte – mehr gibt’s nicht. So schön die Optik auch ist, in Sachen Größe ist sie schlicht und ergreifend nicht mehr zeitgemäß. Breitbildmonitore werden leider auch nicht unterstützt. Nutzer dieser Monitore werden in der beigelegten Anleitung dazu ermuntert, das Adventure im Fenstermodus zu bestreiten – was sich beinahe ein wenig anmaßend liest. Leider nicht in der ansonsten sehr hübsch gemachten Anleitung erwähnt, ist die Möglichkeit, eine Verzerrung der Locations im Vollbild bei Breitbildmonitoren in den Grafikkarteneinstellungen zu verhindern.
Die einzelnen Charaktere und Nebencharaktere sind hübsch gezeichnet und fügen sich sehr stimmig in die Räumlichkeiten ein. Bis auf die Tatsache, dass die Animationen etwas hölzern wirken, werden es zudem im Laufe der Spielzeit immer weniger Protagonisten mit denen man zu tun hat. In manchen Abschnitten fühlt man sich sicherlich ungewollt einsam und verlassen. Doch die Figuren, die man dann im Spiel trifft, sind tadellos und hervorragend synchronisiert. Es macht Spaß zuzuhören und vor allem bei Sadwicks deprimierend komischen Aussagen, muss man sich schon das Schmunzeln verkneifen. Des Weiteren versteckt sich faktisch hinter jedem Gegenstand, und sei er noch so unbedeutend, eine kleine Geschichte. Somit gehören die Dialoge und Objektbeschreibungen sicherlich zu den umfangreichsten und besten im Genre. Wer ‚Edna bricht aus‘ gespielt hatte, kann sich auf ein ähnlich sprachliches Ausmaß freuen.
Nostalgie mit Hindernissen
Statt die Spiel-DVD mit allerhand Kopierschutzmechanismen zu beschweren, die dann bei jedem Zweiten Probleme machen, hat sich Entwickler ‚Daedalic Entertainment‘ etwas durchaus Interessantes einfallen lassen. Wie sicherlich viele wissen, wurden Adventures in den 90ern mit materiellen Mechanismen geschützt. Das konnten Coderäder sein oder äußerst dicke Handbücher, bei denen man ein Wort einer entsprechenden Seite eingeben musste. Im Falle von ‚The Whispered World‘ sind dies drei kleine, farbige Würfel. Bevor man sich ins Abenteuer stürzen kann, müssen entsprechend auf dem Bildschirm gezeigte Konstellation nachgestellt und das richtige Symbol auf einer bestimmten Würfelseite angegeben werden. Klingt ganz lustig, ist es aber nur mit etwas Übung. Tatsächlich muss man es ein paar Mal versuchen, um das Prinzip richtig zu verinnerlichen. Beim ersten Start haben wir satte drei Versuche benötigt. Wäre dieser dritte Versuch ebenso fehlgeschlagen, hätten wir uns auf dem Desktop wiedergefunden und müssten das Adventure erneut starten. Unnötig zu erwähnen, dass man die drei Würfel keinesfalls verlegen sollte. Denn sonst bleibt man der Märchenwelt für immer fern. Doch die Würfel haben auch einen anderen Nutzen. Denn der sehr ansehnlichen Verpackung liegt auch ein Brettspiel bei, für welches diese ebenso Verwendung finden.
Ein Märchen für Erwachsene
Ganz egal, ob die USK das Adventure ab sechs Jahren freigegeben hat, für uns ist ‚The Whispered World‘ ein Märchen für Erwachsene. Wir meinen, dass die nämlich viel stärker als kleine Kinder fasziniert werden. Obwohl Letztere natürlich auch mit Sadwick und Spot bedenkenlos alleine gelassen werden können. Die beiden Helden wachsen einem zudem im Laufe der sehr umfangreichen Spielzeit richtig ans Herz. Ganz großer Pluspunkt ist jedoch die Geschichte selbst. Denn die bietet so einige Überraschungen, die man sicherlich nicht erwarten würde. Schon alleine wegen diesem sehr gut geschriebenen Plot lohnt es sich, das Adventure anzugehen. Und wenn man sich dann noch die tolle Präsentation ansieht, die schon bei der Verpackung beginnt, sollte erst recht kein Weg an ‚The Whispered World‘ vorbeiführen. Störend könnte auf Dauer jedoch die Codeabfrage sein. Ist eine nette Idee, doch das korrekte Drehen der Würfel schluckt einfach zu viel Zeit. Ein kleines Spielchen zwischendurch ist so kaum möglich. Des Weiteren bekommt man vom oft angesprochenen großen Krieg, kaum etwas mit. Auch wenn man viele Orte bereist, so wird das Adventure dennoch stets etwas klein gehalten. Da hätte man auf jeden Fall noch mehr herausholen können. Das Potenzial wäre jedenfalls gegeben gewesen. Ganz wichtig ist obendrein, dass es ohne den Patch, der am Release-Tag erschien, in Kapitel vier unter bestimmten Bedingungen nicht weiter geht. Dieser sollte vor Spielstart unbedingt installiert werden. Aber sei’s drum: Sadwick soll angeblich die Welt zerstören, also hilf ihm das zu verhindern!
[ 15.09.2009 ]
Kommentare okawango:
Super Review; darauf habe ich gewartet. Das Spiel war auf meiner Liste und nun sind auch letzte Unsicherheiten weggeräumt.
Mein Kompliment wegen der neu integrierten interaktiv wechselbaren Screenshots (keine Ahnung, wie ich das sonst nennen soll). Jedenfalls, eine sehr gute Idee.
Auf das Spiel freu' ich mich schon.
[Anmerkung des Webmasters: Freut uns, dass Dir das Review zusagt. Und wir hoffen auch, dass sich Deine Meinung dann mit unserer deckt. Die "neu integrierten interaktiv wechselbaren Screenshots" ist ein Feature, das schon länger auf unserer Festplatte schlummerte. Und bei einem optisch so schönen Spiel wie "The Whispered World", bot sich die Premiere einfach mehr als an.]
(16.09.2009 _ 19:07:29)Tom G.:
Die neue Galerie Funktion ist wirklich TOP!
War schon immer Fan eurer Gleiderung und Designs, das machts noch besser ;)
Achja, ich würde auch gerne Screenshots machen von TWW. Bei mir erscheint leider nur ein Schwarzerbildschirm, bzw. ein Screen des Desktops, wenn ich während des Spiels einen Shot machen will...
Gibts da nen Trick? mir wurd was von wegen Overlay-Einstellungen erzählt. Würd mich über eure Hilfe freuen! ;)
[Anmerkung des Webmasters: Einstellungen müssen eigentlich nicht verändert werden. Es gibt derart gute und intuitive Tools für diese Arbeit. Also ich persönlich kann Fraps (www.fraps.com) oder Hardcopy (www.hardcopy.de) empfehlen.]
(17.09.2009 _ 17:28:59)Lamar:
Also im großen und ganzen ein sehr gutes Spiel, mit langer Spielzeit.
Wobei es nicht unbedingt meine Lieblingsgrafik ist.
Im ersten Kapitel dachte ich noch, naja ob mir das Spiel wirklich gefällt, das hat sich dann im laufe des 2 Kapitels so langsam bestätigt.
Ich kann das Spiel nur jedem empfehlen, wenn ich persönlich auch mehr auf die Grafik von Runaway, Geheimakte, The Book of Unwritten Tales, Jack Keane, Baphomets Fluch 1 und 2, Ceville, Simon, A Vampire Story etc.... stehe!
Aber auch TWW und Edna haben einen Platz in meiner Adventure Sammlung. :-))
Das Spiel ist schon Top, da jibbet nix. !!!!
Achja, das mit den wechselbaren Screenshots finde ich auch eine absolut tolle Sache. Solltet ihr jetzt bei jedem Review machen, und vielleicht bei den alten Reviews nachholen, wenn mal bissl Zeit übrig ist :-))
(21.09.2009 _ 09:43:54)okawango:
So, habe das Spiel nun durchgespielt.
Schöne Atmosphere, sanfte Musik, passende Vertonung und eine allgemeine melancholische Stimmung zeichnen dieses Spiel aus. Bevorzugte Spielzeit: nachts.
Zu meinen privaten "Best of's" wird es wohl nicht gehören. Aber man kann durchaus sagen, daß das Spiel das gewisse Etwas hat.
Die Idee mit den Würfeln als klassischen Kopierschutz finde ich gut.
Die Grafik ist schon etwas gewöhnungsbedürftig und wohl eher nicht zeitgemäß. Insbesondere die geringe Auflösung hat mich gestört. Allerdings wurde die Grafik durch eine ganz bestimmte Technik etwas aufgepeppt. Die Zeichnungen wurden auf verschiedene Ebenen projiziert, sodaß dadurch ein 3D-Effekt entstand, ohne die Systemleistung besonders zu fordern.
Ein Bug muss hier noch erwähnt werden. Das Seil kann nicht in das Petroleum getunkt werden, wenn vorher die Bomben dort hineingelegt wurden. Die Bomben kann man auch nicht mehr herausnehmen.
Schnellspeichern habe ich vermisst. Und der Aufruf des Menüs dauerte ewig.
Insbesondere die Atmosphere und die klassische 2D-Grafik machen dieses Spiel spielenswert. Hier und da bin ich an dem einen oder anderen unlogischen Rätsel gescheitert, aber das lag vielleicht doch eher an mir und nicht an den Rätseln.
Allerdings muss klar sein, dass dieses Spiel an die Geheimakte-Reihe und die Runaway's weder grafisch noch vom Umfang bei Weitem nicht herankommt.
(21.09.2009 _ 14:45:22)Anonymous:
habe bug heruntergeladen hot fix 1.01 habe zwei rote planeten kann dadurch das rätsel nicht lösen und komm deswegen nicht weiter. muss ich das spiel nochma von vorne anfangen????????
(20.11.2009 _ 19:39:16)BruderVerdruss:
.
Schon seit Weihnachten lag TWW neben mir im Regal und hat drauf gewartet endlich gespielt zu werden.
In der letzten Woche war es dann so weit.
Packung aufmachen, erwartungsvoll die Würfel rauspuhlen und erstmal im Handbuch blättern.
"Nix Weltbewegendes" steht drin. Oki. Also installieren und nach bisschen Fummelei mit den Würfeln loslegen.
Mir kann ja einer sagen was er will, aber die Idee mit den Kopierschutzwürfeln ist mir um Zehnerpotenzen lieber als systemmordende DVD-Überwachungstreiber und/oder DRM-Zwangsveronlineung.
Gut. Bisschen kriddelig kanns mal werden, wenn man grade keine Stellfläche dafür in Augenhöhe greifbar hat und das angezeigte Symbol unten rechts eingestellt werden soll.
Macht aber nichts, das Spiel entschädigt mehr als ausreichend für die Mühe. Alleine die Grafik ist einfach phänomenal. Märchenhaft gezeichnet, in den Details oft hervorragend und durch die Layertechnik ausreichend dreidimensional wirkend.
Wie im Review schon angemerkt fallen allerdings die Cutscenes dagegen sehr ab. Keine Ahnung, wo Daedalic die hat fertigen lassen. Am schlimmsten fand ich die Diskrepanz bei der Lokfahrt zum Palast.
Aber bis dahin war sowieso ein langer (Rätsel-)Weg. Und dieser Weg war des öfteren sehr steinig. Weniger wegen der reichlich vorhandenen Querdenkereien, sondern eher weil manche Lösungen völlig unlogisch waren. Wer käme schon auf die unsinnige Idee, einen absolut krummen Knochen als Pfeil zu verwenden, wenn in der Szenerie auch gerade Stöcke zu sehen (aber nicht zu erreichen) sind. Letzte Rettung: Brute-Force-Angriff mit dem gesamten Inventar auf jeden erreichbaren Hotspot .... Das hat mich an manchen Stellen doch ziemlich gestört.
Als Kontrast zu diesen kleinen Frustmomenten gab es aber auch reichlich Reminiszenzen an alte geliebte Adventures. Ich bin vor Lachen fast aus dem Drehsessel gefallen, als Sadwick in der Waffenkammer versucht hat eine Geheimtür in der Wand zu finden und neben dem erwarteten "Sesam öffne Dich" auch ein aus heiterem Himmel kommendes "Ken sent me" probierte.
Kurz gesagt: Bis hin zum völlig unerwarteten - aber nicht schlechten - Schluss hat mich das Spiel wunderbar unterhalten und von den kleinen oben erwähnten Frustmomenten abgesehen kann ich das Spiel nur empfehlen.
So long
BruderVerdruss
(14.02.2010 _ 21:47:26)
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