Hat schon einmal jemand etwas vom kalifornischen Entwickler 'Night School Studio' gehört? Nein, wir auch nicht. Durch ihr Erstlingswerk, das auf den ungewöhnlichen Namen 'Oxenfree' getauft wurde, wird der Name allerdings ruckzuck in sämtlichen Gehirnwindungen verewigt werden – da sind wir uns absolut sicher! Wir greifen hier zwar dem eigentlichen Test schon ein ganzes Stück vor, aber wir haben das Kleinod der Indie-Schmiede am Stück durchgespielt und sind immer noch total baff, was uns hier geboten wurde!
Die junge Alex möchte mit ein paar guten Freunden eine Fete feiern und die Party-People erkoren dafür Edward Island aus. Die mittlerweile verlassene Insel scheint der perfekte Ort zu sein, um einmal dem Alltag zu entfliehen und abends am Lagerfeuer gemeinsam eine schöne Zeit zu verbringen. Doch da man schon einmal auf einer einsamen Insel zugange ist, splitten sich Alex, ihr Stiefbruder Jonas und ihr bester Freund Ren schon bald von der Gruppe ab, um eine interessante Höhle zu erforschen. Und die ist wirklich über alle Maßen faszinierend. Denn mithilfe von Alex' Radio und dem Herumspielen der Frequenzen beginnt plötzlich ein aus der Höhle strahlendes Licht entsprechend mitzuflimmern. Das Interesse geweckt, mehr darüber zu erfahren, wagen Alex und ihr Stiefbruder Jonas letztlich den Abstieg. Je tiefer sie vordringen, je eigenartiger werden die Vorkommnisse, bis sie letztlich etwas finden, das über ihre Vorstellungskraft hinausgeht … Und mehr verraten wir an dieser Stelle keinesfalls! Jedes weitere Wort würde Euch nämlich die Erfahrung möglicherweise zerstören und uns ist es wichtig, dass gedanklich absolut jungfräulich an dieses Adventure herangegangen wird. Was ist in dieser Höhle auf Edward Island? Findet es selbst heraus!
Fantastisch erzählt!
Wir können gar nicht genug betonen, wie sehr uns die Story von 'Oxenfree' begeistert hat. Noch immer sinnieren wir über das Gesehene und so viel sei gerade noch verraten, werdet Ihr das Mysterium genau so intensiv erleben wie die Protagonisten selbst. Ständig fragt man sich, was als Nächstes passieren wird und sogar ein paar kleine Gruselmomente haben es in den Titel geschafft. Dabei wurde jedoch nicht plump auf so genannte „Jump Scares“ gesetzt, sondern alles wirkt einfach wie aus einem Guss und niemals in irgendeiner Form aufgesetzt. Uns hat das alles jedenfalls perfekt abgeholt und mitgerissen. Ein erster Trailer hatte uns auf jeden Fall vor Wochen ziemlichen Appetit auf den Titel gemacht, aber was hier letztlich abgeliefert wurde, hätten wir wirklich so nicht erwartet! So und nun nicht weiterlesen, sondern direkt kaufen!
Hochgradig sympathische und vielschichtige Charaktere
So und während der Titel hoffentlich bereits gerade im Hintergrund von 'Steam' heruntergeladen wird, erzählen wir Euch noch etwas über die hervorragend geschriebenen Charaktere. Die wirken zum Teil derart natürlich, dass es schon beängstigend ist. Dabei findet sich in den insgesamt vier Mitstreitern so ziemlich jede Richtung "Mensch" vertreten: Clarissa ist die typische Nervensäge, um die man auf Parties einen großen Bogen macht; Nona ist die leicht Verschlossene; Ren ist der mit der großen Klappe, der seine Unsicherheit nur zu gern mit allerhand Unsinn überspielt und Jonas ist der angeheiratete Stiefbruder. Wir übernehmen die Rolle der jungen Alex. Die ist zwar grundlegend der beliebte Tausendsassa, doch ihren Charakter überlässt das Spiel zu einem Teil uns. Möchten wir mit Clarissa, die einst mit Alex' verstorbenen Bruder verbandelt war und ihr gar die Schuld am Tod ihres Bruders vorwirft, nichts mehr zu tun haben oder sollen wir die Sache doch lieber endlich ruhen lassen? In Grundzügen ist das uns überlassen. Doch im weiteren Verlauf der Geschichte werden wir obendrein vor deutlich schwerwiegendere Entscheidungen gestellt: Denn dass Alex und ihr Stiefbruder Jonas in der Höhle nichts Gutes vorfinden, sollte mittlerweile durch die Zeilen gedrungen sein. Letztlich müssen wir nämlich sogar darüber entscheiden, wie es so manchem Mitstreiter ergeht? Denken wir nur an uns selbst und retten unsere eigene Haut oder versuchen wir den Helden zu spielen? Es liegt an unseren Entscheidungen, wie das Adventure letztlich ausgehen wird. Damit bietet das Adventure einen gewissen Wiederspielwert, um schlichtweg auszuprobieren, ob Situationen auch anders gelöst werden könnten. Bei insgesamt rund 6 Stunden Spielzeit ist das auf jeden Fall eine äußerst nette Dreingabe.
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Akustisch besser als so mancher AAA-Titel
Was wir in 'Oxenfree' auf die Ohren bekommen, ist bemerkenswert – vor allem für einen Indie-Titel. Die melodischen Themen unterstreichen perfekt das Geschehen und die Synthesizer-Musikstücke sind gar so gelungen, dass eigentlich kein Weg am Soundtrack vorbeiführt. Ein nicht mindergeringes Lob gibt’s von uns für die Wahl der einzelnen Sprecher. Wir sind uns fast nicht sicher, ob wir schon einmal Besseres gehört haben. Die Dialoge werden durch die Redner derart lebensecht und realistisch wiedergegeben, dass wir noch immer am Schwärmen sind. Vor allem mit Kopfhörern ist das ein wahrer Genuss für jedes Trommelfell. Überhaupt war keines der zahllosen Gespräche zwischen den Protagonisten überflüssig oder gar uninteressant. Durchweg dürfen wir an den Empfindungen und Meinungen jedes einzelnen teilhaben und zusammen mit den einfach toll gewählten Sprechern wachsen uns die kleinen Polygon-Haufen schon mächtig ans Herz. Einziger Wermutstropfen ist natürlich einmal mehr, dass im Moment keine deutsche Fassung des Adventures existiert. Indie-Titel hin oder her: Wenigstens deutsche Untertitel hätten einfach drin sein müssen. Wir können diesen Trend jedenfalls nicht verstehen, dass die ein ums andere Mal nicht angeboten werden. Wir hoffen, dass da schleunigst nachgebessert wird. Bis dahin sollte man zumindest fortgeschrittene Englischkenntnisse mitbringen, um bei den zahlreichen Dialogen nichts zu verpassen und vor allem sich auch richtig zu entscheiden. Denn die Multiple-Choice-Dialoge sind wie bei den Telltale-Titeln zeitkritisch und manchmal doch etwas knapp bemessen.
Grafisch einfach schick
Natürlich ist Optik von jeher eine Geschmacksfrage, uns hat die grafische Präsentation jedenfalls sehr gut gefallen. Vor allem in den Szenen, wo mit einer Taschenlampe durch dunkle Gänge geleuchtet oder gruselig getrimmte Stellen passiert werden müssen, läuft der Titel zur Höchstform auf. Manchmal vergisst man beinahe, dass wir den eigentlich im herausgezoomten 2D-Look präsentiert bekommen. So sehen wir, abgesehen von ein paar Selfie-Fotografien, die im Spielverlauf hinzukommen, niemals die Gesichter der einzelnen Figuren. Dafür ist die Kamera zu weit vom Geschehen entfernt. Dass wir uns dennoch ständig mittendrin, statt nur dabei fühlen, ist schlichtweg der hervorragenden Atmosphäre zu verdanken.
Keine Rätsel & gegen Ende (beinahe zu) viel Lauferei
Obwohl wir das Spiel testen und es infolge dessen für ein Adventure halten, stellen sich uns keinerlei nennenswerte Rätsel in den Weg. Sollte eine Aktion verlangt werden, erfahren wir das durch die Gespräche oder eben direkt von Alex selbst. Grundsätzlich kann man das daher mit den Werken von 'Telltale Games' vergleichen: Wir dürfen hauptsächlich die Dialoge beeinflussen, ansonsten läuft der Titel wie auf Schienen. In 'Oxenfree' haben wir jedoch zumindest noch die Möglichkeit, Alex jederzeit Zeit selbst zu steuern. Von einem Inselende zum anderen zu maschieren, sowie ein paar seichte Kletterabschnitte zu meistern, wird uns nicht abgenommen - wobei das gegen Ende beinahe ein wenig zuviel des Guten wird. Nettes Gimmick ist allerdings, dass man Gespräche auch während der Lauferei führen kann. Noch nicht einmal für unsere Antwort müssen wir dabei zwingend stehenbleiben. So entsteht schnell ein sehr angenehmer Fluss: So ähnlich wie beim Lesen eines spannenden Buches, wo wir irgendwann das Seitenumblättern völlig unbewusst berwerkstelligen. Und nicht zuletzt wird dieser Flow zusätzlich dadurch unterstrichen, dass die möglichen Multiple-Choice-Dialogoptionen bereits während des gesprochenen Satzes unseres Gegenübers aufploppen. Hat der dann seinen Satz beendet, antwort Alex direkt oder unterbricht den sogar in seinen Äußerungen, sofern das angebracht ist. Ein ähnliches System wurde vor Jahren durch das Rollenspiel 'Mass Effect' etabliert. Das macht die Dialoge spürbar authentischer. Mit einem guten Gamepad ist das übrigens etwas flotter zu bedienen als es mit der Maus der Fall ist. Beim Konsolen-Controller sind die Antwortoptionen direkt auf verschiedene Tasten verteilt, während wir sie mit dem PC-Computernager erst anklicken müssen. Gerade in sehr zeitkritischen Entscheidungen funktioniert daher das Spielen beispielsweise mit einem XBox-360-Pad ein gutes Stück geschmeidiger.
Unser Fazit könnte nicht eindeutiger sein: Ganz, ganz große Klasse!
Was bleibt uns nun noch zu sagen, außer, dass wir restlos begeistert von 'Oxenfree' sind. Das Jahr 2016 hat zwar gerade erst begonnen, aber dieser Kracher legt einen Start hin, den kommende Titel erst einmal erreichen müssen. Ärgerlich ist einmal mehr im synchronisationsverwöhnten Deutschland der Verzicht auf zumindest deutsche Untertitel. Da hoffen wir einfach mal, dass das noch nachgereicht wird. Es wäre nur zu ärgerlich, wenn man diesen Titel links liegen lassen würde, nur weil man zur englischen Sprache nicht den besten Bezug hat. Freunde von originalen Vertonungen dürfen sich hingegen freuen und direkt zugreifen. Die Sprecher punkten mit einer beeindruckenden Leistung. So natürlich wie sich die Dialoge anhören, könnte man beinahe glauben, die wären real. Musikalisch gibt man sich ebenfalls keine Blöße und kann den Soundtrack auch hervorragend ohne das Adventure genießen. Zuguterletzt ist die mitreisende Handlung richtig schön spannend bis zum Schluss erzählt und alles zusammengenommen ergibt einen absoluten Pflichttitel. Das Jahr mag noch jung sein, aber die Messlatte, die die Mannen der Night School Studios hier aufstellt, brettert mal so eben durch die Decke. Gar nicht weiter überlegen und direkt kaufen!
[ 20.01.2016 ]
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