Einleitung: | Part I |
Amiga 500: | Part II | Part III | Part IV | Part V | Part VI Part VII | Part VIII | Part IX | Part X | Part XI Part XII | Part XIII | Part XIV | Part XV |
Commodore 64: | Part XVI | Part XVII |
Amiga 1200: | Part XVIII | Part XIX | Part XX |
Kolumne 63: (Zu) lang ist's her - Part XVIII
Mit dem Amiga 1200 hatte ich sehr viele schöne Zeiten. In der Hoffnung, es würde mit diesem tollen Rechner weitergehen, steckte ich in den – trotz der vielen Höhen und Tiefen in den verschiedensten Entwicklungen dieser Tage – so viel Geld in Erweiterungen und dergleichen, dass es für einen Schulpflichtigen wie mich eigentlich alles sprengte: Mehr RAM, ein sau-teuerer Prozessor, einen Flickerfixer, einen modernen Monitor, eine große Festplatte und natürlich nicht zuletzt noch der komplette Umzug in das Infinity-Tower-Gehäuse ließen den Rechner in völlig neuem Licht erstrahlen... und beinahe den Wert eines High-End-PCs erreichen. Ich war eben ein Fan durch und durch. Nichtsdestotrotz endete die einst große Ära des Amigas letztlich mit diesem Rechner. Heute lebt er für mich nur noch in der virtuellen Welt des Emulators WinUAE weiter. Wieso, weshalb und warum lest Ihr in diesem dritten Kapitel.
Erschienen: | 1992 |
Verkaufte Einheiten: | ca. 100.000 in Deutschland (weltweite Zahlen sind unbekannt) |
Architektur: | 32 Bit / Motorola CPU 68EC020 mit 14 MHz |
Arbeitsspeicher: | 2 MByte Chip-RAM (*) |
Grafische Darstellung: | 320x256 Bildpunkte (Standard-Auflösung) mit 256 Farben gleichzeitig aus einer Gesamtpalette von 16,7 Millionen |
Mein Amiga 1200: | Arbeitsspeicher um zusätzliche 32 MB Fast-RAM (*) erweitert / Motorola 68060 Prozessor mit 50 MHz / 4,3 GByte Festplatte / Einbau Flickerfixer, um PC-Monitore verwenden zu können & Vollständiger Umbau in Infinity-Tower-Gehäuse |
(*) Chip-RAM wird als Video- und Arbeitsspeicher verwendet. Der Fast-RAM indes erweitert ausschließlich den Arbeitsspeicher (kann also nicht als Grafikspeicher verwendet werden) und ist deutlich schneller als der Chip-RAM. Fast-RAM wird daher bevorzugt vom System verwendet und beschleunigt den Amiga durch die höhere Verarbeitungsgeschwindigkeit spürbar |
Der Vergleich AGA mit 256 Farben (also Amiga 1200/4000 und AmigaCD³²) gegen den ECS-Grafikstandard der vorherigen Amigas am Beispiel von 'Wing Commander'. Der Unterschied ist hier besonders deutlich, da 'Origin' in der ECS-Fassung sogar nur mit 16 Farben arbeitete - obwohl selbst hier eigentlich 32 möglich gewesen wären
Als das Zeitalter der AGA-Amigas mit dem Amiga 1200 begann, hieß das vor allem eines: mehr Farben. Das mag unscheinbar klingen, änderte für mich nichtsdestotrotz alles. Und was habe ich mich darauf vielleicht gefreut! Endlich optisch auf Augenhöhe mit den DOS-PC-Versionen. Ein Traum wurde wahr. Allerdings sollte ich wohl vorher kurz ausholen, wofür denn nun eigentlich diese Abkürzung „AGA“ genau steht und wieso das gerade bei mir so heiß begehrt war. Die klassischen Amigas – welche das recht umfangreiche Portfolio von Amiga 500, 500plus, 600, 1000, 2000, 3000 sowie das CDTV umschloss – bezeichnet man desöfteren gern simpel als ECS-Amigas. Die Abkürzung steht dabei für „Enhanced Chip Set“ und beschreibt die Grafik-Chips auf der Platine. Die widerrum ermöglichen es, aus einem Farbtopf von 4096 maximal 32 Farben gleichzeitig auf dem Monitor darstellen zu können. Anno 1982, als der Amiga 1000 den Weg in die Wohnstuben fand, galt dies als absolut ausreichend (hieß dort zwar noch „OCS“ (Original Chip Set), grundsätzlich war's aber dasselbe) und den meisten Konkurrenten gar noch ein gutes Stück voraus. Gegen Ende der 80iger zeichnete sich jedoch schnell ab, dass die 256 Farben des VGA-Standards (das steht für „Video Graphics Array“) des DOS-PCs das Rennen machen werden. Um nicht den Anschluss zu verpassen, entwickelte Commodore aufgrunddessen zu Beginn der 1990er die „Advanced Graphics Architecture“ – oder kurz: das „AGA“ (in mancher Literatur wird es übrigens auch in abgekürzter Fassung als „Advanced Architecture“ (AA) bezeichnet). Dieser neue Chipsatz sollte zum VGA-Standard aufschließen. Der Plan ging theoretisch auf, waren nun ebenso auf dem Amiga 256 Farben gleichzeitig möglich, die aus einer 24-Bit-Palette mit insgesamt 16,7 Millionen verschiedenen Tönen stammen. Bezogen auf die Kolorite konnte man also endlich sagen: VGA=AGA.
Ab 1992 verbaute Commodore das AGA-Chipset im Amiga 1200, später im Amiga 4000 und dem AmigaCD³². Ungünstigerweise schlug die Realität zu. Problem Numero eins: Die AGA-Chips erschienen erst 1992 und damit mindestens zwei Jahre zu spät. Zum Zweiten ließen sich die älteren ECS-Amigas nicht nachrüsten. Da jedoch gerade die 500er-Baureihe unter der Gemeinde weit verbreitet war, mussten viele Entwickler fortan zweigleisig fahren und sowohl eine ECS- wie auch eine AGA-Variante des selben Spieles anbieten. So eröffnete Commodore zwar den Spieleherstellern endlich einfachere Konvertierungen vom DOS-PC, doch dieser Vorteil verpuffte eben durch diese Zweigleisigkeit. Bis zuletzt sollten die ECS-Modelle in der Amiga-Gemeinde einfach eine deutlich höhere Verbreitung finden, womit sie wirtschaftlich – trotz der Neuerung der AGA-Chips – weiterhin bedacht werden mussten. Eine blöde Situation! So existierten also plötzlich von einigen Spielen zwei Amiga-Fassungen: eine ECS-Variante mit 32 und eine für die AGA-Maschinen in den viel schmuckeren 256 Farben.
Als mir der Gedanke zu diesem Kapitel kam, entschied ich schon bevor ich auch nur ein Wort tippte, dass ich im finalen Artikel unbedingt eine Gegenüberstellung von Spielen wollte, welche in beiden Varianten existieren. Denn ECS und AGA direkt nebeneinander zu sehen, zeigt den Vorteil ohne große Worte. Und da gab es einige wenige, wirklich derbe Beispiele. ‚Wing Commander‘ von ‚Origin‘ war so eines, bei dem sich die Optik beider Fassungen massiv unterscheidet. Grund: Das amerikanische Softwarehaus arbeitete in der originalen Amiga-Version lediglich mit 16 Farben und nutzte somit noch nicht einmal die ECS-Farbpallete voll aus. Die schaffte nämlich bis zu 32 Farben gleichzeitig. Man erhoffte sich wohl mit dieser Reduzierung die schlechte Performance ein wenig zu heben. Ohne schnelleren Prozessor zuckelte ‚Wing Commander‘ auf einem Amiga 500 an manchen Stellen nämlich in Zeitlupe. Ob dieses Prozedere letztlich so viel brachte, entzieht sich meiner Kenntnis, optisch ändert es jedoch alles. ‚Wing Commander‘ sieht in der ursprünglichen ECS-Fassung farbarm, „dreckig“ und „ausgefranzt“ aus. Nicht missverstehen: Ich habe das Teil dennoch über Monate wie ein Verrückter gezockt. Wer sich für meine Geschichte diesbezüglich interessiert, der wird in Kapitel I fündig. In der späteren AGA-Fassung für das AmigaCD³² verzichtete man glücklicherweise auf etwaige Limitierungen und konvertierte die DOS-PC-VGA-Version 1:1. Auf der „Freundin“ optisch ein enormer Sprung. Mit den 256 Farben wandelt sich nämlich die Stimmung und die Atmosphäre der Weltraum-Ballerhatz vollkommen. Blöderweise vergaß man, diese Version direkt für AGA-Rechner wie den Amiga 1200 umzusetzen. Die optisch schönere Fassung existiert ausschließlich für das AmigaCD³². Sofern man ein CD-Laufwerk besitzt, funktioniert die mit dem Amiga 1200 zwar mit dem CD³²-Emulator ebenso anstandslos, angenehm ist's aber nicht. Ich hätte zumindest gern die Möglichkeit gehabt, diese Fassung auf die Festplatte zu installieren. Als reine AmigaCD³²-Version ging sie zudem an vielen „normalen“ Amiga-Spielern komplett vorbei. Schade drum.
Letztlich immer wieder unglaublich, wie massiv sich damalige Präsentationen zum Teil allein nur dadurch abhoben, weil sie eine größere Farbpalette verwendeten. In den Endachtzigern und Neunzigern galten Farben generell durchweg als großes Thema. Damals existierten einfach viel mehr Konsolen und Computer, von denen jeder in Sachen Grafik sein eigenes Süppchen kochte. Zu guter Letzt man darf eines nicht vergessen: Es ist das immer noch dasselbe Spiel, doch Farben ändern eine Menge. Das Auge „isst eben mit“.
Das Adventure 'Erben der Erde' und die Unterschiede zwischen AGA und ECS
Solch' massiven Unterschiede wie im Fall ‚Wing Commander‘ sollten unter´m Strich aber die Seltenheit bleiben. Ja, ECS-Spiele konnten im direkten Vergleich mit den farbenfroheren AGA-Fassungen nicht mithalten, nichtsdestotrotz war der optische Unterschied für die meisten Gamer verschmerzbar. Das Adventure ‚Erben der Erde‘ ist hier ein gutes Beispiel, denn es offenbart ebenfalls schnell, welche Version welche ist, doch die grafischen Abweichungen halten sich letztlich in Grenzen. Das alte 32-Farben-Chipset lässt nur bei weichen Farbverläufen oder Schattierungen die Federn. Während mit AGA richtig schöne, sanfte Übergänge drin waren, sah man eben beim ECS die groben Übergänge deutlich. Die meisten Gamer interessierte das gefühlt wenig, für mich war es indes eine vollkommen neue Welt. Woran das lag? Ich habe mich Jahre auf den AGA-Standard gefreut, schaute ich vorher stets voller Neid auf den DOS-PC, wo der VGA-Standard mich vollkommen einnahm. 256 Farben ... dieser Look ist für mich bis zu dieser Sekunde meines Lebens extrem besonders. Ich liebe einfach diese zeitlose Optik, diese warme Wohlfühl-Atmosphäre – gerade bei den damaligen Adventures von ‚Sierra‘ oder ‚LucasArts‘. Mit der Einführung des Amiga 1200, 4000 und dem AmigaCD³² gab es für mich daher nur noch das AGA-Chipset.
Richtig ärgern tat mich nur eine Sache: Nur weil ich nun einen Amiga 1200 besaß, hieß das jedoch nicht, dass plötzlich alle Spiele in höherer Farbenpracht erstrahlten. Ältere Titel, vor der Ära der AGA-Chips, blieben nämlich auch weiterhin in 32 Farben. Natürlich logisch, da auf den Disks selbstredend nur die Grafiken in weniger Koloriten vorlagen. Dennoch ärgerte es mich wahnsinnig, dass es keine gesonderten Veröffentlichungen für AGA-Rechner gab. Erst recht wenn ich mir Titel wie ‚Monkey Island II‘ oder ‚Indiana Jones IV‘ anschaute. Ich rechnete es zwar hoch an, dass sich ‚LucasArts‘ damals die Mühe machte, beide Adventures von grundauf in 32 Farben noch einmal gänzlich neu zu kolorieren, aber die VGA-Fassungen sahen einfach so unvergleichlich aus. Leider erschien niemals ein einziges ‚LucasArts‘-Adventure in AGA für den Amiga. ‚Day of the Tentacle‘ wäre es fast geworden, sollte jedoch niemals in den Händlerregalen ankommen.
Bei ‚Sierra‘ zeigten sich die Unterschiede zwischen Amiga und PC obendrein so extrem, dass man förmlich nach einer AGA-Version bettelte. Wer sich beispielsweise ‚King´s Quest V‘ zuerst in der Amiga-ECS-Variante und dann in der für DOS-PC-VGA anschaut, bekommt ein ähnliches Bild wie bei ‚Wing Commander‘ von ‚Origin‘ geboten: Farbflatschen und ein subjektiv deutlich „schmutzigeres“ Bild. Dunkle Schattierungen konnten gleichmal einfach nur rabenschwarz sein oder verwirrten mit unpassenden Farben. Stellenweise sahen manche Locations aus, als hätten sie einen Grafikfehler. Vor Crispins Haus ist der Baum vorne links ein gutes Beispiel: Auf dem PC mit weichen angenehmen Grautönen versehen, auf dem Amiga die volle Kontrastpackung in schwarz, mit schrägen Farben zwischendrin. Dass damit einiges an Charme verloren geht, braucht keine weitere Erklärung. ‚Sierra‘ machte sich in meinen Augen einfach optisch wie performancetechnisch nie so richtig Mühe, wenn es um den Rechner von Commodore ging. Für mich galten sie als PC-Firma durch und durch.
So viele optisch wunderschöne Grafik-Adventures der großen Firmen erschienen niemals erneut für AGA-Rechner. Der Amiga muss auf ewig mit zum Teil massiv farbschwächeren Versionen vorlieb nehmen. Mich ärgert dieser Umstand noch immer bis ins Mark. Die Galerie im Anschluss zeigt jedenfalls sehr deutlich, wovon ich hier schreibe: Die Amiga-(ECS)-Fassung von ‚King´s Quest V‘ als Extrem-Beispiel im direkten Vergleich mit der VGA-Version des PCs. Die AGA-Variante wäre zu letzterer identisch gewesen. Braucht man da noch irgendwelche Worte der Erklärung? Doch wie hätte man den Aufwand rechtfertigen sollen? Geld nahm zu diesem Zeitpunkt – anno 1992 – schon lange keiner mehr für den Amiga in die Hand. Im Gegenteil: Das Abwandern hatte längst begonnen...
Das klassische Adventure 'Kings Quest V' erschien niemals in 256 Farben für den Amiga. Dort musste man sich mit einer unglücklich kolorierten und gerade einmal 32 Farben schwachen Fassung zufriedengeben
Wer hätte gedacht, dass ich alleine zum Thema ECS/AGA so viel zu schreiben habe. Vielleicht verdeutlicht das, wie sehr es mir wirklich am Herzen liegt. Für mich sind die Zeiten, in denen vor allem die Grafik-Adventures mit ihren 256 Farben die Welt eroberten, eine ganz besondere Ära. Für immer unvergessen. Dieser Look ist schlicht so unbeschreiblich zeitlos und ich liebe die Atmosphäre, die beispielsweise ein ‚Monkey Island‘, ‚Monkey Island II‘, ‚Indiana Jones IV‘, ‚King´s Quest V‘, ‚Space Quest IV‘, ‚Space Quest V‘, ‚Laura Bow II‘, ‚Larry V‘ – oder wie sie noch alle heißen – versprühen. Ein Look, der für meine persönliche Gaming-Nostalgie steht, wie kaum etwas anderes. Leider hatte der PC da letztlich viel, viel mehr davon und dieser Tage sind selbstverständlich sämtliche MS-DOS-Titel längst in meine Sammlung integriert. Nichtsdestotrotz hätte es mich gefreut, diese tollen Grafik-Adventures auch auf dem Amiga so zu erleben, wie sie auf dem PC zu haben waren. Immerhin haben die Macher sich diese eben genau so gedacht. Es ist verdammt schade, dass Commodore erst derart spät mit dem AGA-Chipset um die Ecke bog. Zwei, drei Jahre früher und so viele Titel wären wahrscheinlich in den wunderschönen 256 Koloriten zu haben gewesen. Doch erst 1992 damit zu kommen, galt zwar als wichtiger Schritt, jedoch nun einmal zu spät. Zu dieser Zeit hätte längst ein AGA-Amiga Standard und ein Model mit mindestens einem 68030-Prozessor vorhanden sein müssen, um überhaupt der PC-Konkurrenz irgendetwas entgegenstellen zu können. Wie die Geschichte um Commodore letztlich final ausging, wissen wir leider alle und eben solch' späten Entscheidungen dürften die ersten Sargnägel für den einst genialsten Home-Computer aller Zeiten gewesen sein.
Commodore versorgte jede Amiga-Generation mit eigenen Workbench-Fassungen. Der Amiga 1000 legte mit Version 1.1, später 1.2 los; der Amiga 500 bekam 1.3, der 600er 2.0 und der Amiga 1200/4000 bekam das 3.0 verpasst. Später in der eben angesprochenen Neuauflage der Rechner durch Escoms gab‘s dann sogar noch die Version 3.1. Offenkundig tat sich für den durchschnittlichen Anwender oft nur was in der grafischen Darstellung, aber Leute, die tatsächlich ernsthaft mit dem Amiga 1200/4000 arbeiteten, kamen die zahllosen Verbesserungen mit jeder neuen Fassung sehr entgegen. Ich mochte vor allem die 3.0 sehr gern, denn die war sauber abwärtskompatibel und bot gleichzeitig viele sinnvolle Funktionen. Im Amiga 1200 Magic – wie ich ihn besaß – verbaute man indes das ROM 3.1 und damit auch die Workbench-Fassung v3.1. Hier steckten die Entwickler zwar noch einmal viel Arbeit rein, leider sank die Kompatibilität mit manchen für mich wichtigen Titeln. Und die Möglichkeit, da noch ein Update nachzuschieben, sollte ihnen verwehrt bleiben. Die Workbench v3.1 war das letzte offizielle Betriebssystem. In den Jahren danach versuchten sich dann viele Hobby-Tüftler daran, mit eigenen Tools Probleme zu beheben. Erst 1999 sollte sich erstmalig wieder ein „richtiger“ Amiga-Entwickler an eine neue Version setzen. Mit der Amiga Workbench 3.5, später sogar 3.9, versuchte die Firma „Haage & Partner“ zu aktuellen Systemen der Konkurrenz aufzuschließen: TCP/IP-Unterstützung, um damit problemlos im Internet surfen zu können, galt als wohl wichtigstes Feature. Das ging zwar vorher auch schon, doch war mit beträchtlich mehr Aufwand verbunden. Aufwand, den sich nun nicht jeder Nutzer zumuten wollte. 2006 erschien dann erstmals ein Betriebssystem, das nicht mehr mit klassischen Amigas betrieben werden konnte. Amiga OS 4.0 (später noch 4.1) brachte einmal mehr zahllose neue Funktionalitäten mit sich und kümmerte sich vor allem um eine zeitgemäße Präsentation. Grafikkarten wurden direkt unterschützt und ein PowerPC-RISC-Prozessor musste sogar zwingend vorhanden sein. Allerdings – und das muss ich doch sehr offen zugeben – verstand ich diese Entwicklungen in ihrer Sinnhaftigkeit nur begrenzt, existierten sie doch gefühlt nur noch für echte Amiga-Nerds. Außerhalb von Messen scheint es gefühlt keine Amiga-Enthusiasten mehr zu geben. Die Gemeinde ist sehr überschaubar.
Jedoch abseits davon stehen sich die wenigen Firmen, die überhaupt noch an Amiga-Hard- und -Software arbeiten, heute nur zu gern selbst im Weg. Immer wieder machen Rechtsstreitigkeiten auf sich aufmerksam, bei denen noch um das letzte Quäntchen gekämpft wird. So gibt es beim Schreiben dieses Artikels sogar direkt mal wieder einen solchen juristischen Zank zu beobachten, bei dem der momentane Rechtehalter Amiga Inc. den Dienstleister Hyperion verklagt, weil die Mannen die Workbench v3.1 mit einer aktuellen Fassung versorgen. Dabei ist die Workbench v3.1.4 (auch AmigaOS 3.1.4 genannt) doch so lange überfällig gewesen (v3.1 erschien 1993…) und bügelt unter anderem viele kleine Patzer aus, welche die originalen Entwickler über zwanzig Jahre vorher übersahen. Warum hier einen Rechtsstreit anzetteln? Viel Geld ist doch ohnehin nicht mehr zu holen! Ich kann das wirklich nicht nachvollziehen. Es geht hier wahrscheinlich um einige Tausend Euro. Wen interessieren denn als Unternehmen solche Klecker-Beträge? Es ist wahrlich bitter, wenn der Besitzer eines Produkts gegen die Leute schießt, die das noch am Leben erhalten wollen, weil er es selbst nicht tut und statt mit Unterstützung mit dem Anwalt droht. Gerade die Community war es doch schon immer, welche dem Amiga das Leben einhaucht. Heute mehr als je zuvor. Ohne diese Menschen wäre der Amiga nur noch eine blanke Erinnerung. Rechtlich mag hinter dem juristischen Gang vielleicht eine Sinnhaftigkeit stehen, doch rein logisch und menschlich sollte man die wenigen Tüftler doch einfach machen lassen. Ich finde es jedenfalls prima, dass sie ihre Freizeit noch immer in ein Produkt investieren, dass größtenteils älter ist als die eigenen Kinder. Denn warum tun sie das denn? Ganz einfach: Weil es ihnen eben am Herzen liegt.
Workbench v3.1 (Amiga/1994) - Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel das Amiga-Betriebssystem zu Beginn der 1990er bereits konnte, was heute als selbstverständlich gilt
Wer diese Reihe überhaupt nicht kennt und nie mit ihr in Kontakt kam, der wird es kaum verstehen, warum ich gerade eine Pinball-Reihe in die Liste meiner denkwürdigen Spiele aufnehme. Doch dem kann nur eines erwidern: Probier‘ es einfach mal selbst aus! Es gibt wohl kaum zeitlosere Spiele als diese Flippersimulationen von ‚Digital Illusions‘. Unzählige Nachahmer haben es versucht, perfektioniert hat es jedoch nur dieses kleine schwedische Studio. Interessant dürfte hierbei sein, dass es kaum einen Reifeprozess zu geben schien. Bereits ‚Pinball Dreams‘ – also der allererste Teil der Reihe aus dem Jahr 1992 – vermochte es Stunden über Stunden an die „Freundin“ zu schweißen und galt schon als beinahe perfekt. Persönlich zeigte ich mich jedes Mal von der tollen Ballphysik beeindruckt, die ebenfalls bereits beim Erstlingswerk passte und sich richtig natürlich anfühlt. Die Anzahl der zu wählenden Tische auf vier zu begrenzen, erscheint beim ersten Gedanken irgendwie zu wenig, letztlich reicht es dann aber doch. Dabei wählten die Entwickler immer ein bestimmtes Thema und bastelten dann einen Flipper darum, realen Pinball-Maschinen nachempfunden. Mit Weltraum, Zirkus, Piraten, Motorsport, Sandstrand, Polizei oder Extremsport bediente man im Laufe der Reihe so ziemlich jede Thematik mindestens einmal mit einem eigenen Tisch. Allerdings begriff ich damals nicht, weshalb ‚Pinball Illusions‘ zum ersten und einzigen Male nur drei Flippertische, statt den üblichen vieren, besaß. Später sah ich dann: Diese Ausnahme gab es nicht. Denn dieser vierte Tisch existiert tatsächlich. Hinter den Kulissen zeigte sich Entwickler ‚Digital Illusions‘ nur nicht zufrieden mit dem auf der Thematik der Wikinger bezogenen Flipper und ließ ihn für die Amiga-Fassung schlicht weg. Erst in der etwas später erschienen PC-CD-Version entschied man sich dann doch noch, ihm eine Chance zu geben. Für den Amiga nachgereicht, wurde der jedoch nicht mehr. Verpasst hat man aber nichts. Ich weiß nicht, woran das liegt, aber als ich ihn in der DOS-Fassung selbst einmal anspielte, wirkte er tatsächlich irgendwie langweilig. Dabei funktioniert er wie alle anderen Flipper und macht grundsätzlich nichts falsch.
In jedem Ableger schlummerte mindestens ein Flipper, der mir besonders gefiel: Bei ‚Pinball Dreams‘ fand ich die Friedhofs-Thematik spielenswert, genau wie im Nachfolger ‚Fantasies‘. Um allerdings ganz genau zu sein, spielte ich diese beiden Titel nur in der ECS-Version für den Amiga 500. Zumindest von ‚Fantasies‘ gab‘s auch eine AGA-Version, aber die besaß ich damals nicht. Da es in meinen Augen jedoch keinen Sinn macht, die Nennung der Flippersimulationen in die beiden Lager zu splitten, entschied ich mich, ausnahmsweise die ECS-Pandons hier mit zu nennen. Reine AGA-Ableger und damit nur für den Amiga 1200/4000/CD³² sind im Übrigen ‚Pinball Illusions‘ und ‚Slamtilt‘. Die viel größere Farbpalette zeigte dort bereits beim ersten Blick Wirkung. Die Tische sahen richtig genial aus. Aber selbst, wenn man diese Tatsache weg lässt, so sind für mich die beiden AGA-Sequels die besten der Reihe. In die dürfte ich mehr Zeit hineingepumpt haben als zuvor in ‚Dreams‘ und ‚Fantasies‘ zusammen – und das mag was heißen. Ich liebte in ‚Illusions‘ den Extreme-Sport- und den Polizei-Flipper, bei ‚Slamtilt‘ waren es mit ‚Metal Machines‘, ‚Ace of Space‘ und ‚The Pirate‘ derer gleich drei.
Die 'Pinball'-Reihe (Amiga ECS/AGA 1992-1996) - Bis heute für mich ungeschlagen. Niemand brachte das Flair eines Flipper-Automaten derart kraftvoll auf den Monitor!'Pinball Dreams' (ECS) [Shot 1], 'Pinball Fantasies (ECS) [Shot 2], Pinball Illusions (AGA) [Shot 3/4], Slamtilt (AGA) [Shot 5/6]
Fortsetzung in der nächsten Kolumne …
Falko Tetzner _ 07.01.2019