Off Topic 05: The Witcher 3
Hersteller:
| CD Projekt Red
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Vertrieb:
| CD Projekt Red
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Steuerung:
| Maus+Tastatur / Gamepad
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Systemanforderungen:
| Windows 7 (64-bit) oder Windows 8/8.1 (64-bit) / Intel CPU Core i5-2500K 3,3 GHz oder AMD CPU Phenom II X4 940 / 6 GB RAM / Nvidia GPU GeForce GTX 660 oder AMD GPU Radeon HD 7870 / ca. 40 GB Festplatte
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USK:
| Freigegeben ab 18 Jahren
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Offizielle Webseite:
| www.thewitcher.com
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Deutsch:
| Komplett
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Nach rund vier Jahren Wartezeit schließt 'CD Projekt Red' die Witcher-Reihe mit dem dritten Teil endgültig ab. Zusammen mit den beiden zusätzlich erschienenen DLCs „Hearts of Stone“ und „Blood and Wine“ dürfte dieses Spiel vielleicht nicht das geographisch größte Machwerk der Generation Rollenspiel sein, aber definitiv das umfangreichste. Stundenlange Haupthandlung, unzählige handgemachte Quests – 'The Witcher 3' ist ein Projekt der Superlative, mit dem man ganze Wochen verbringen kann. Und dabei mag ich Fantasy-Settings normalerweise überhaupt nicht. Der dritte Hexerableger bekam von mir allerdings die Chance, sich zu beweisen. Absolut verdient!
Schwenk in die Vergangenheit: Wir lernen die junge Ciri kennen, die in der Hexerfestung Kaer Morhen die Lehren einer Monsterjägerin erlernt. Trotz genetisch bedingter Gefühlskälte hat Gerald als ihr Mentor jedoch im Laufe der Jahre väterliche Gefühle für sie entwickelt und fühlt sich demzufolge für sie verantwortlich. Jedoch verschwindet sie eines Tages wort- und spurlos von der Bildfläche. Gerald hat das Mädchen zwar nie wirklich vergessen können, akzeptierte allerdings ihren Alleingang. Zurück in der Gegenwart überschattet noch immer der Krieg Nilfgaards gegen die Redanier im Norden das Land und ist kurz davor die freie Stadt Novigrad zu erreichen. So schlimm der Krieg die Menschen auch zeichnet, plagen Gerald plötzlich Visionen seiner Ziehtochter Ciri. Irgendwie scheint sie in Gefahr zu sein und die Wilde Jagd hat zusätzlich auch noch ihre Finger im Spiel. Also trommelt unser Hexer seine alten Freunde ein letztes Mal zusammen und macht sich auf, Ciri im Kriegsalltag aufzuspüren.
Inflationäre Waffen
Es ist schier kaum nachzählbar, wie viele Waffen im Laufe des Abenteuers durch Geralds Hände wandern. In den ersten 25 Spielstunden hatte ich jedenfalls das Gefühl, dass aller Nase lang besseres Equipment wartet. Tatsächlich ein wenig schade, wenn der Hexer ein optisch eldes Schwert im Schaft auf seinem Rücken trägt, es aber aufgrund der Werte nicht lange in seinem Besitz verbleiben wird. In manchen Quests habe ich beispielsweise mehrfach den Säbel wechseln müssen, da ich in binnen von vielleicht 10 Minuten zahlreiche bessere fand. Mit einigen hat man dann kaum drei Hiebe ausgeführt, bevor sie bereits zum Alteisen gegeben werden müssen. Und das gilt nicht nur für die Schwerter: Zusätzlich findet man neue Armbrüste oder Sattel für das eigene Pferd Plötze. Mit den unnützen Utensilien kann man nun allerdings ganz unterschiedlich verfahren. Beim örtlichen Waffenschmied machen wir sie zu Geld oder zerlegen sie, um an die Rohstoffe zu kommen. Persönlich habe ich mich aber damit keine Sekunde aufgehalten, sondern hauptsächlich die Waffen so lange gebunkert, bis die letztlich beim Händler für gutes Geld wieder verkauft werden konnten. Und das derart ausgiebig, dass im zweiten DLC „Blood and Wine“ sämtliche Renovierungskosten für das eigene Anwesen direkt aus der Portokasse floss. Geld war zweifelsohne niemals ein Problem.
Raue Märchenwelt
Einer der herausragendsten Elemente der gesamten The-Witcher-Reihe ist sicherlich die an das vergangene feudale Europa erinnernde Spielwelt, gepaart mit allerhand Märchen und Fabeln. Die Welt ist kalt und teilweise arg mitleidlos. Tod und Krankheit warten eigentlich an jeder zweiten Ecke – jeder ist sich oft selbst der Nächste. Dieses Prinzip hat wirklich einen nicht zu unterschätzenden Reiz und lässt die Welt glaubwürdiger und nachvollziehbar erscheinen. Beinahe sämtliche Themen werden hier abgefrühstückt: Von Verrat, Eifersucht, Hunger, Leid oder ehrlicher Freundschaft ist so ziemlich alles dabei. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass sich Entwickler 'CD Projekt Red' in einer Angelegenheit etwas zurückgehalten hat: Die für die verschiedenen Handlungen wichtigen Frauencharaktere sind zumeist optisch deutlich an diverse Männerfantasien angelegt. So deutlich, dass sie manches Mal – zwischen all dem Leid, dem Hunger dieser schmutzigen Welt – gar ein wenig deplatziert wirken. Ich finde es allerdings sehr gut, dass endlich auch Nebencharaktere die Attraktivität der schicken Weiblichkeiten wahrnehmen. Denn wie oft hatte man es schon in anderen Titeln erlebt, dass eine halbnackte junge Frau vor den Männern stolziert und niemand das irgendwie wahrzunehmen scheint – was die Deplazierung dieser Damen entsprechend noch fördert. Allerdings ist es für diese rohe und grausame Welt kaum vorstellbar, dass sich die zierlichen Schönheiten problemlos in den zwilichtigsten Gegenden herumtreiben können, ohne irgendwie von Testosteron durchtränkten Männern bedrängt zu werden, die sonst nur Hunger und Dreck kennen.
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Keine Bienchen und keine Blümchen
Obwohl 'The Witcher 3' nur für Erwachsene käuflich zu erwerben ist, lehne ich mich mal weit aus dem Fenster und sage, dass ein nicht unwesentlicher Anteil der Spielerschaft kaum die Pubertät überstanden oder die Volljährigkeit erreicht hat. Die erotische Komponente ist daher wahrscheinlich für nicht wenige Gamer keineswegs uninteressant. Darauf bauen die Entwickler ziemlich offensichtlich. Nicht nur, dass jede Frau – egal welcher Stand – meist sofort von Geralds Anblick „entzückt“ ist, laufen doch viele Quests mit holden Weiblichkeiten im Zentrum ganz nach Schema F ab: Wer den liebreizenden Frauen an die Wäsche möchte, muss sich benehmen. Sie also nicht verärgern und im Großen und Ganzen das sagen, was die eigentlich hören wollen. Das ist ziemlich schnell durchschaut und zeigt Frauen nun nicht zwingend im besten Licht. Persönlich finde ich den Umgang mit Sex, den Gerald praktisch beim Fingerschnippen bekommt, ein gutes Stück übertrieben. Auch dass sich generell jede Frau nach ihm verzehrt, grenzt ans Alberne - weniger wäre hier mehr gewesen. Zudem stört sich Geralds „Love-Interest“ überhaupt nicht an seinem Schürzenjägerdasein. Letztlich ist es natürlich Geschmackssache und jeder kann 'The Witcher 3' so erleben, wie er das möchte. Keine der erotischen Abenteuer sind Pflichtaktionen.
Geralds grüner Daumen
Im Laufe des Abenteuers ist das Tränkemixen ein notwendiges Übel, bei der wir ausgiebig auf Pflanzenjagd gehen müssen. Für teuer Geld können wir uns die zwar auch beim Händler kaufen, doch grundsätzlich ist dieses System der schwächste Teil des Rollenspiels. Das liegt vor allem daran, dass es ungemein ärgerlich sein kann, wenn eine Nebenquest oder ein Hexer-Auftrag mittendrin abgebrochen werden muss, nur weil wir eben gerade jetzt einen ganz bestimmten Trank benötigen, ohne den es nicht weitergeht. Hilfreich ist hingegen, dass wir die Klingen unserer Schwerter mit bestimmten Ölen übergießen können, um zusätzlichen Schaden zu verursachen. Sind wir nach einem Kampf ausgepowert, hilft die Meditation, die unsere Gesundheit im Handumdrehen wieder auf Vordermann bringt - zumindest wenn sich der geneigte Spieler nicht am letzten Schwierigkeitsgrad versucht. Dort ist nur noch mittels Nahrungsaufnahme und Tränken möglich, was normalerweise die kurze Gebetsstunde schafft. Mit der Meditation können wir des Weiteren auch Wartezeiten überbrücken. Manche Quests sind nämlich nur zu bestimmten Tageszeiten aktivierbar.
Optisch ein echter Hingucker
Apropos Tageszeiten: 'The Witcher 3' ist zu jeder Stunde ein optischer Leckerbissen. Obgleich sich 'CD Projekt Red' im Vorfeld den ungeliebten Vorwurf machen lassen musste, den Titel "gedowngradet" zu haben, mag das vielleicht stimmen, doch spielt es letzten Endes keine Rolle. Ja, die ersten Teaser und Trailer sahen einen Tick besser, aber die Grafik ist trotzdem über jeden Zweifel erhaben. So wunderschöne Panoramen und Sonnenuntergänge, verbunden mit verschiedenen Jahreszeiten in den einzelnen Gebieten, haben wir bis 'The Witcher 3' noch nie in dieser Qualität gesehen. Zudem lebt die gesamte Flora und Fauna - überall bewegt sich irgend etwas und es macht zu jeder Zeit einfach Spaß, dem Treiben zuzuschauen. Zudem ist die Welt reich bevölkert. Einmal mehr müssen wir daher sagen, dass unsere Screenshots die grafische Wucht nur in Ansätzen wiedergeben können. Es versteht sich allerdings von selbst, dass eine entsprechende Leistung vom PC unterm Schreibtisch vorausgesetzt wird, wenn man alles auf Maximum stellen möchte.
Wichtige Charakterentwicklung
Das Leveln des Hauptcharakters Gerald ist eine ziemlich zentrale Tätigkeit. Denn so vielseitig die Quests auch sind, setzen sie doch allesamt stets ein bestimmtes Spieler-Level voraus. Sind wir knapp darunter, gibt’s einen Bonus auf die Erfahrungspunkte, spielt sich aber kniffliger, weil schwerer. Deutlich unter dem geforderten Level zu sein, kommt derweil einem Selbstmord gleich, was das Spiel durch einen Totenkopf neben der Lebensanzeige unserer Gegner optisch ersichtlich macht. Dann heißt es nur, die Beine in die Hand zu nehmen und später wiederkommen. Entspricht der Charakter- dem Quest-Level spielen wir in unserem gewählten Schwierigkeitsgrad. Über dem geforderten Level zu sein, zerknackst allerdings gehörig die Spielbalance, was auch noch zunimmt, je weiter wir uns von den Kontrahenten in der Charakterstufe entfernen. Gegner der Stufe 10 sind für einen Level-30-Gerald reines Metzelfleisch ohne jede Chance. Treffer der Feinde sind wie Mückenstiche, Geralds Schläge allerdings wie ein Wirbelsturm der Verwüstung. Erfahrungspunkte sollte man bei diesem Gemetzel selbstredend keine mehr erwarten. Wem dieses Prinzip nicht zusagt, kann optional die Möglichkeit aktivieren, dass die Gegner mit unserem Helden automatisch mitleveln.
Das war ja noch was
Da dieser Artikel erst weit nach der eigentlichen Veröffentlichung von 'The Witcher 3' erschien, möchte ich an dieser Stelle auch ein paar Worte zu den beiden kostenpflichtigen DLCs verlieren. Während im Laufe der Entwicklung gleich mehrere Wagenladungen Updates zum Download bereit standen, die nicht nur Fehler beseitigten, die Spielwelt erweiterten und sogar das gesamte Interface zwischenzeitlich austauschten, treiben es die beiden DLCs „Heart of Stone“ und „Blood and Wine“ auf die Spitze. Genau genommen sollten man eigentlich nicht von DLCs sondern waschechten Addons sprechen, die zahlreiche zusätzliche Stunden für's Durchspielen erfordern, eigene Handlungen erzählen und sogar - gemünzt auf „Blood and Wine“ - ein riesiges neues Gebiet hinzufügen. In meinen Augen übertrumpft sich 'The Witcher 3' mit diesen beiden kostenpflichtigen Downloadpaketen gar noch einmal selbst. „Blood and Wine“ hat mir mit seinen sonnigen Gebieten im Stil von Süd-Frankreich übrigens besonders gut gefallen. Obendrein bekommt Gerald direkt zu Beginn eine eigene Villa geschenkt, die er auf Vordermann bringen kann. Wem sein Level bereits zu Kopf gestiegen ist, bekommt mit DLC Numero zwei zudem die Möglichkeit die so genannten Mutationen freizuschalten, die mit mächtigen neuen passiven Skills Gerald beträchtlich verstärken. Im Gegensatz zum Hauptspiel haben wir es in den DLCs außerdem viel öfter auch mal mit deutlich größeren Monstern zu tun. Alles in Allem sind diese beiden Addons alles andere als Kleinkram. Alleine deren schiere Größe, verbunden mit den vielen neuen Aufgaben, gibt The-Witcher-Fans eigentlich keine Chance, sich diesen beiden Zusätzen zu entziehen.
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Eine Welt, darin zu versinken
Zugegeben die Story des Hauptspiels ist ein wenig schwach. Zieht man nämlich alle notwendigen Aktionen ab, passt der Plot auf einen Bierdeckel: (1) Ciris Aufenthaltsort finden, (2) Ciri aufsuchen und (3) gegen die Wilde Jagd antreten. Das ist zwar alles ganz ordentlich inszeniert, doch war die Hauptgeschichte nicht der Grund, warum ich so viele Stunden mit dem Rollenspiel verbrachte. Und hier darf nicht ungesagt bleiben, dass ich normalerweise mit Fantasy-Settings eigentlich überhaupt nichts anfangen kann. Es sind die unfassbar vielseitigen Nebenquests, die immer wieder zum Weiterspielen motivieren. Deren Qualität zieht ihre Stärke daraus, dass sie allesamt handgemacht sind. Nicht wenige sind sogar vielschichtig und man erlebt durch die ein Abenteuer im Abenteuer. 'CD Projekt Red': Was Ihr hier geleistet habt, ist gelinde gesagt bahnbrechend. Die unfassbare Anzahl der Nebenquest ist jedenfalls irre, die aufgrund dessen sogar in gleich drei Unterkategorien aufgeteilt worden: Nebenquest, Schatzsuche und Hexer-Aufträge. Alleine mit den Hexer-Aufträgen kann man Tage verbringen. Gerald jagt dabei an den verschiedensten Orten der riesigen Welt nach allerlei Ungetier und erhält dafür Belohnungen, die wir vorher mit dem Auftraggeber in barer Münze erfeilschen können. Die Schatzsucherei offenbart zumeist besonderes Equipment für unseren Hexer, die uns oft auf die zahlreichen Meere schicken. Auf Tauchstation müssen wir die begehrten Waffen oder Wertgegenstände dann aus untergegangenen Schiffen oder einfach vom Meeresgrund bergen. Am Vielseitigsten sind allerdings die eigentlichen Nebenquests. Die sind so gut geschrieben, dass es schlicht einfach Spaß macht, selbst weit nach dem Durchspielen der Haupthandlung immer wieder mit Gerald und Plötze durch die Welt zu reiten und sie alle zu finden. Die Vielfalt und unfassbare Menge hätte locker für mindestens zwei eigene Spiele gereicht. Absolut unglaublich – mehr fällt uns nicht dazu ein!
Falko Tetzner _ 11.09.2016
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