Kolumne 61: Ein Ende ohne Publikum
Die Idee für diese Kolumne schwirrt mir schon eine ziemliche Weile durch den Kopf. Und ich bin mir natürlich auch bewusst, dass ich wohl dieses Mal durch das Kolumnen-Bild eine gewisse Art des Click-Baits generiert habe. Suggeriert das doch, das 'Adventures Unlimited.de' seine Arbeiten einstellt. Aber so viel vorweg: Wir hören nicht auf, sondern wollen nur ein spezielles Thema ansprechen, welches wohl in den kommenden Jahren immer präsenter werden wird – gerade im Adventure-Bereich...
Jeder von uns wurde schon im Laufe der Jahre mit dem Umstand konfrontiert, dass gern besuchte Hobby-Webseiten, ganze Webnetzwerke oder meinetwegen der Lieblings-YouTuber, der in seiner Freizeit allerlei Videos produzierte, die Arbeit einstellt. Der Grund ist in den meisten Fällen identisch: Zu wenige Besucher. Also zu wenige Leute, welche sich scheinbar noch für das Angebot interessieren. Und natürlich ist diese Entscheidung nachvollziehbar, wenn man darüber einige Gedanken verliert. Oft stecken Hunderte oder gar Tausende Arbeitsstunden in dem, was man da in seiner Freizeit für das webversierte Publikum in einer gewissen Regelmäßigkeit über Jahre veröffentlichte. Man fühlt sich weniger gewürdigt und beginnt zu hinterfragen, ob da draußen überhaupt noch ein Interesse für das besteht, was man in seiner Freizeit leistet und kostenfrei zur Verfügung stellt. Klingt doch nachvollziehbar – oder nicht?
Lässt man den finanziellen Aspekt weg, welcher bei kommerziellen Webangeboten elementar ist, dann sind in der Welt der Hobby-Webseiten (die meist keine finanziellen Absichten verfolgen) zumindest in meinen Augen nicht die sinkenden Besucherzahlen das Problem, sondern ziemlich oft das eigene Ego. Natürlich möchte man Dinge produzieren, an denen sich andere Leute erfreuen, für das sich andere Leute interessieren. Doch man muss den Tatsachen ins Gesicht sehen: Tagtäglich wächst das Webangebot weltweit in einem Maße, das jede Vorstellung sprengt. Und eben diese Vielfalt hat auch die Nutzergewohnheiten stark verändert. Heute gibt es für jedes Thema unfassbar viele Anlaufstellen im Web und das in den verschiedensten Sprachen. Es ist heute im Regelfall nicht mehr so, dass Anwender liebevoll ihre Lesezeichen im Webbrowser hüten und regelmäßig immer die gleichen Portale besuchen. Suchmaschinen wie Google haben das längst abgeschafft. Interessiert man sich heute für Themen, werden die schnell „gegoogelt“ und die ersten Suchtreffer entscheiden darüber, ob man diesen Besucher auf sein Portal lockt oder eben nicht. Denn ist man nicht in den ersten Zehn, hat man schon verloren. Alleine an diesem Umstand beißen sich Webseiten dieser Tage die Zähne aus und versuchen Texte immer noch früher als die Konkurrenz zu veröffentlichen, um ja weit oben in den Suchtreffern zu landen. Da geht in dem Stress leider auch viel Leidenschaft für die Arbeit verloren, denke ich. Man macht das nicht mehr zum Spaß, sondern, um zu „gewinnen“.
Früher versuchte man zudem mit so genannten Partnerseiten für gleichgesinnte Mitbewerber auch das eigene Publikum zu begeistern. Aber wer nutzt so etwas heute noch? Besucher ignorieren diverse Links regeres und viele Betreiber stellen diese kaum noch zur Verfügung. Es sind Relikte der frühen Tage des Internets um die Jahrtausendwende, welche heute kaum noch Bewandtnis für den normalen Standard-Anwender haben. Genau wie das Instrument der Mund-Propaganda. Kannst Du Dich daran erinnern, wann Dir das letzte Mal eine Webadresse von einem Freund oder Bekannten empfohlen wurde? Nein, eben – ich mich auch nicht. Obendrein lesen Internet-Nutzer heute anders als vor 15 Jahren. Große Textmassen, welche auf ‚Adventures Unlimited.de‘ beispielsweise gern in Kolumnen zu finden sind, verschrecken viele Leser, da die sich nicht die Zeit nehmen wollen oder können, sich mal 30 Minuten hinzusetzen. Sicherlich auch dem Umstand geschuldet, dass heute viel von mobilen Endgeräten zwischen Terminen gelesen wird. Man scheint sich heute die Ruhe, die das Lesen ursprünglich mal innehatte, kaum mehr zu nehmen. Dadurch wird meist auch deutlich oberflächlicher gelesen. Beim Suchen von Artikeln beginnt es ja schon: Da kann man sich Stunden über Stunden Zeit nehmen, ein Review zu verfassen, welches auf alle Punkte im Detail eingeht, doch gelesen wird es kaum. Denn gerade die jungen Menschen von heute wollen kurz und knapp wissen, ob sich beispielsweise ein Titel für sie lohnt. Das Lesen großer Texte ist gerade im Internet ein gefühlt aussterbendes Konstrukt. In meinen Augen extrem schade! Da geht wirklich was Gutes verloren.
Doch was heißt das nun für den Hobby-Betreiber einer Webseite, der mit sinkenden Nutzerzahlen zu kämpfen hat? Nun – ich sage es mal so: Man sollte sich im Klaren darüber sein, warum man sich wirklich diese viele Arbeit macht und ellenlange Texte verfasst. Denn diese Einsicht ist der entscheidende Faktor, um weiterzumachen. Macht man es für Ruhm, Bekanntheit und dem Wunsch als „großer“ Autor wahrgenommen zu werden, dann wird man schnell von wenigen Nutzerzahlen deprimiert und findet immer weniger Motivation in seiner Arbeit. Von daher sollte man mit dieser Intension ganz anders an die Sache herangehen. Man sollte sich über Trends informieren und vor allem darüber, was die Leute da draußen interessiert – und das eben mit der Gefahr, dass man dann vielleicht an Dingen arbeitet, die einen selbst kaum oder gar nicht interessieren. Denn als kleiner Spoiler vorweg: Eine Seite, welche sich mit Adventures befasst, wird niemals der große Renner werden. Wobei dies generell ein besonderes Thema geworden ist, da eben auch das Genre an sich, praktisch am Markt kaum noch eine Rolle spielt. Kurze Spitzen wie das letztjährig erschienene ‚Thimbleweed Park‘ gibt es zwar noch, doch waren die Absatzzahlen laut Ron Gilbert derart mager, dass sich jede Hoffnung für ihn, ein weiteres Adventure zu produzieren, schnurrstracks in Luft auflöste. Und das spiegelt sich natürlich im Umkehrschluss in sämtlichen Medien wieder, welche sich mit dem Thema der Adventures auseinandersetzen.
Wir zählen uns mit ‚Adventures Unlimited.de‘ jedenfalls zu einer anderen Kaste. Für uns ist das ein Hobby – und das braucht eben nicht unbedingt die ganz großen Zuschauerzahlen. Natürlich freut man sich, wenn sich Leute für die eigene Arbeit interessieren, aber es darf eben beim Betreiben einer Adventure-Webseite nicht die Grundlage für die eigene Motivation sein. Die sollte stattdessen auf dem Spaß basieren, sich überhaupt mit Themen beschäftigen zu können, welche einen wirklich mit jeder Faser interessieren. Man sollte die Arbeit für SICH machen und nicht für andere. Auf diese Art und Weise schafft man sich selbst keinerlei Abhängigkeiten. Unser Portal wird 100% privat durch uns finanziert, Werbeeinnahmen haben und wollen wir nicht und obendrein sind uns der Rang, den wir bei diversen Suchmaschinen einnehmen ziemlich egal. Davon abgesehen: Wer uns sucht, der findet uns auch. Wir sind auf diese Art und Weise einfach auf absolut niemanden angewiesen, weshalb die Leidenschaft für ‚Adventures Unlimited.de‘ von unserer Seite wohl niemals verblassen können wird. Im Moment schreiten wir auf das unfassbare siebzehnte Jahr (!) unseres Bestehens zu und haben noch ganz viel im Kopf, aber ans Aufhören denken wir mit keiner einzigen Silbe. Dabei hat sich in der langen Lebenszeit dieses Portals doch so viel verändert. Wusstest Du, dass wir in den Jahren 2008-2010 rund 1.500 Besucher an einem einzigen Tag zu verzeichnen hatten? Und wusstest Du auch, dass wir heute manchmal kaum die 30 Besucher täglich knacken? Das ist die harte Realität in nackten, emotionslosen Zahlen. Doch interessiert uns das: Nein. Wir machen weiter, weil es unser Hobby ist, weil es Spaß macht und weil wir lieben, was wir da tun.
Warum dann also diese Kolumne, wenn es uns doch gar nicht betrifft? Ich möchte Dich als Leser nur dafür sensibilisieren, dass andere Adventure-Webseiten oder sonstige kleine Hobby-Plattformen vielleicht nicht so denken wie wir. Sie schauen auf Besucherzahlen, auf Kommentare und das gibt ihnen viel mehr Motivation ihre Lebenszeit in dieses Hobby zu stecken. Sieh es als Gedankenanstoß, auf manchen Seiten nicht nur als stummer Besucher zu existieren, sondern Dich hin und wieder bemerkbar zu machen. Vielleicht mit einem Kommentar, vielleicht mit einer eMail an die Leute dahinter? Es liegt letztlich an Dir, ob Du den Menschen hinter tollen Hobby-Projekten zeigst, dass Du ihr Tun wahrnimmst und schätzt. Denn selbst kleine Gesten können manchmal ganz große Geschenke sein.
Falko Tetzner _ 17.11.2018
Kommentare Simon Haubitz:
Hallo hochgeschätztes Team von adventuresunlimited.de!
Ich komme immer wieder regelmäßig auf eure Seite, um zu sehen, was sich so getan hat. Seit 2002 schaue ich bei jedem Onlinegehen bei euch vorbei. Zu meinem aktuellen Ritual gehe ich erst auf ScummVM, dann auf adventure-treff und schließlich auf adventurecorner, wo ich nur noch auf den Button klicken muss, um zu euch zu gelangen.
Ich war dabei, als es fast jeden Tag etwas neues bei euch zu berichten gab und ich war auch dabei, als bei euch über mehrere Jahre rein gar nichts passierte.
Nach wie vor finde ich es großartig, wie ihr euch haltet und die Tradition des Berichterstattens über mein Lieblingsgenre aufrecht erhaltet. Ich fände es schade, wenn eure Seite zu einer Internetleiche wird, wie beispielweise adventure-archiv.de.
Vielleicht mag die Ära der Grafikadventures dem Ende zugehen, doch für mich ist ein Spiel, wie das Lesen eines guten Buches, nämlich eine Freiheit, die man sich nehmen kann. Und bei dieser Freiheit spiele ich die Adventures meiner Sammlung, die sich auch durch viele eure Tests gebildet hat, immer und immer wieder gerne.
Also, auf die nächten siebzehn Jahre! (19.11.2018 _ 15:46:19)Falko Tetzner (Webmaster):
Hallo Simon,
also, dass Du uns schon die ganzen Jahre begleitest, finden wir klasse und fühlen uns natürlich aber mal so richtig geehrt. Immerhin ist das ´ne verdammt lange Zeit. Von daher danke Dir für diese langjährige Treue von unserer kleinen Redaktion!
Und wir werden nicht zur "Webleiche" werden. Wie Du weißt, haben wir das vier Jahre lang bereits durchgemacht und diesen stagnierenden Zustand wünschen wir uns nicht eine Sekunde zurück. Klar, es kommt heute nicht mehr so viel wie zu den Hoch-Zeiten auf 'Adventures Unlimited.de', aber es kommt eben was und das ist doch das Entscheidende (zumindest für uns). Davon abgesehen fehlen uns die Zeiten, in denen hier "viel los war", manchmal schon ein wenig. Es hatte einfach was, den Adventure-Boom nach der Jahrtausendwende voll mitzuerleben - eine geniale Zeit!
Ein Satz von Dir gab mir allerdings zu denken - nämlich den, den Du über das Ende der Ära der Grafikadventures geschrieben hast. Weil Du Recht damit hast... Ich habe da allerdings eine Hoffnung: Vielleicht ist es nur ein weiteres Tief, wie das, welches wir um die Jahrtausendwende miterlebten. Als das Genre im Nichts verschwand und plötzlich wieder aus der Vergessenheit hervor trat und noch einmal über Jahre begeisterte. Vielleicht wird's wieder so werden, vielleicht aber auch nicht. Fakt ist: Ganz egal, wie die Zukunft des Genres aussehen mag, wir sind dabei. (20.11.2018 _ 11:15:28)
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