
Kolumne 16: Breitband-Adventure-Serien
Der Vertrieb über das mittlerweile enorm gewachsene Medium des Internets ist schon lange keine Innovation mehr. Der Bogen reicht hierbei von Schriftstellern bis zur Entwicklung der Spieleindustrie. Adventureentwickler 'Telltale Games' geht noch einen Schritt weiter und veröffentlicht in kleinen, episodenhaften Häppchen ihr Werk Stück für Stück…
Der Action-Kracher 'Half Life II' machte es bereits vor. Besagtes Ballerspielchen kann sowohl im Laden, als auch direkt über das Internet - legal über 'Steam' - gezogen werden. Doch steckte hierbei in Wirklichkeit eine raffinierte Idee dahinter, den Publisher auszutricksen, der ja nur die Rechte hat, das Spiel im Handel zu veröffentlichen. Dass die Entwickler selbst aber das Spiel nicht über das Internet vertreiben dürfen, um so noch mehr Geld einzuheimsen, wurde irgendwie bei Vertragsunterzeichnung vergessen. Jedoch was passiert, wenn fähige Entwickler noch nicht einmal einen Publisher für sich gewinnen können? Eben das ist den Ex-Lucas-Mannen bei 'Telltale Games' passiert.

'Half Life II' machte es vor und erscheint nach dem Hauptprogramm ausschließlich im Episodenformat
Die Vorteile
Diese liegen im Grunde klar auf der Hand und sind vor allem für die Entwickler am Relevantesten: Für jede verkaufte Einheit würde man deutlich mehr Gewinn für sich einfordern, kein Gedanke an Vertriebs- oder Verpackungskosten. Verkauft man das aber nun auch noch in Episoden, dann kommen die Schöpfer bereits in einem sehr frühen Stadium an ihr Geld. Auf diese Weise wiederum ist es leichter, Flops und Hits zu erkennen. Während man Erstere gleich zu "Beginn" einstampfen könnte, würden Letztere dann erst recht gefördert, schier unendlich weiter fortgeführt werden und vielleicht sogar für Aufsehen bei einem Publisher sorgen, der erst keine Chance für das Spiel sah und im Nachhinein seine Meinung noch ändern könnte. Denn wir dürfen ja nicht vergessen, dass 'Telltale Games' den Weg der Internetvermarktung nur gegangen ist, weil eben keine Vertriebsagentur angebissen hatte.
Die Nachteile
Nachteilig sehen es sicherlich mehr die Endverbraucher, denn selbst ein 80 MByte-Download kann bei kleinen Internetverbindungen schon eine halbe Ewigkeit dauern. Schließlich kann man auch im Zeitalter von Cable und DSL nicht davon ausgehen, dass jedermann auf einen derart schnellen Zugang zurückgreifen kann. Des Weiteren muss man die Archivierung zu 100% selbst in die Hand nehmen. Entweder man belässt das Downloadpacket (nicht das installierte Adventure ist hier gemeint) auf seinem heimischen Rechner, was zusätzlich Speicherkapazität kostet oder man muss es selbst auf ein anderes Medium verfrachten. Doch, wie sieht das denn dann aus? Das Lieblings-Adventure steht als gebrannter DVD-Rohling im Regal, liebevoll mit einer durchsichtigen CD-Hülle verpackt und noch liebevoller mit einem Markerstift beschrieben (Vorsicht: Sarkasmus)? Vor allem Fans von schicken Pappkartons werden dann die guten, alten Zeiten schnell vermissen, als Spiele noch beim Händler in der Stadt zu haben waren. Was ist außerdem mit denen, die vielleicht ihr Exemplar nach Lösung verkaufen wollen? Dank Hardware-ID und dazu passendem Serial-Code ist das völlig unmöglich, denn jeder hat nun mal einen anderen PC und damit eine andere Hardware-ID.
Benutzer ohne Internet profitieren überhaupt nicht von der neuen Entwicklung, im Gegenteil: Sie bekommen vielleicht noch nicht einmal mit, dass das Adventure überhaupt existiert und wenn doch: Wie kommen die dann an ihr Exemplar? Jedoch dürfte man mit dem Internetvertrieb so oder so weniger Leute erreichen. Grund: Es fehlt einfach an der Öffentlichkeitsarbeit, es sei denn, man kümmert sich gesondert um genau diesen, wichtigen Aspekt. Etwas ohne jedwede Werbung zu verkaufen, ist in Zeiten des harten Konkurrenzkampfes ein schwierigeres Unterfangen als man vielleicht auf den ersten Blick denken könnte.
Ein weiteres Problem, vor allem der episodenhaften Veröffentlichung: Informationsmedien, sei es nun eine Spielezeitschrift oder ein Adventureportal. Wie soll das Adventure denn getestet und bewertet werden - auch in Häppchen? Oder soll man ein, zwei Episoden testen und dann mit dem Fazit schließen: "Gutes Spiel, drücken wir mal die Daumen, dass die anderen Episoden auch so gut werden". Mal ganz davon abgesehen, dass es sicherlich nicht wirklich Spaß macht, monatelang auf die nächste Episode zu warten. Im Übrigen sollte man als Endverbraucher aufpassen, dass nicht viele einzelne Episoden sogar teurer werden könnten als ein Vollpreis-Adventure, das im Ladenregal steht.
Subjektiv gesehen ...
... ist die Vermarktung von 'Telltale Games' nur als temporäre Maßnahme, bis ein Publisher gefunden ist, geeignet. Als Fan von, mich aus dem Regal anlächelnden, Spielekartons und der Gewissheit, ein komplettes Spiel vor mir zu haben, kann ich mich nur schwer mit dem Unterfangen anfreunden, ein Adventure ausschließlich per Internet und dann auch noch in Stücken zu bekommen. Denn da überwiegen einfach die Contras zu sehr, zumindest was mich als Endverbraucher und Hobby-Redakteur angeht.
Falko Tetzner _ 19.09.2005
