Kolumne 15: Interactive Movie
In den Jahren 1993 bis Ende 1997 gab es einen Spieletyp, welcher noch heute stets im Zwiespalt betrachtet wird. Die Einen liebten ihn, die anderen sind froh, dass die Zeiten wieder vorbei sind. Der interaktive Film oder Interactive Movie zeigte neben echten Schauspielern und Unmengen von Zwischensequenzen auch schnell die Grenzen, des damals noch recht neuen Mediums der CD-ROM. Nicht wenige Games kamen so mit einem halben Dutzend der glänzenden Silberlinge auf den Markt.
Der Interactive Movie stand leider sehr schnell unter einem schlechten Stern. Angefangen mit Top-Spiel-"Film"-Produktionen a la 'Phantasmagoria' oder - genreübergreifend - 'Wing Commander' witterten nicht wenige Firmen schnell das große Geld. Während 'Sierra' oder 'Origin', wie auch viele andere, sich die größte Mühe mit den Spielen gaben, wurde der Markt praktisch überschwemmt mit zwei- oder gar drittklassigen Spielen, wenn nicht noch schlimmer. Jeder Depp mit einer Videokamera fühlte sich plötzlich als Held in einem x-beliebigen Spiel. Dies ging sogar so weit, dass im Laufe der Jahre das Logo 'Interactive Movie' von glamourös zu "Finger weg" mutierte.
'Interactive Movie' als Quantensprung der Spieleindustrie
Ich persönlich habe immer darauf geachtet, nur in Kontakt mit Spielen großer, bekannter Firmen zu kommen. Denn dort fungierte der Film als nettes Zusatzelement und verwandelte jeden PC in ein Heimkino. Da ich auch im "normalen Leben" ein leidenschaftlicher Kinogänger bin, fand ich die Idee richtig gut, vor allem wenn man bspw. in 'Wing Commander III' oder 'Wing Commander IV' selbst entscheiden konnte, wie der Film am Computer weitergeht. Meine Entscheidungen waren absolute Priorität und nach einmaligem Durchspielen war es immer wieder klasse, neue Entscheidungen auszuprobieren - was den Widerspielwert in ungeahnte Höhen schießen ließ. Zumal der Hauptprotagonist Mark Hamill (alias Luke Skywalker) schon allein für großes Interesse sorgte. Des Weiteren reifte die Serie mit jeder neuen Fortsetzung und sah jedes Mal noch einen ganzen Deut schicker aus. Wurde in Teil III noch auf Render-Hintergründe und Bluescreen zurückgegriffen, so bot Teil vier schon echte Sets, die vom Aufwand echten Filmproduktionen ebenbürtig waren. Nicht weniger als 10 Millionen US-Dollar und 6 CDs pro Version verschlang alleine der vierte Teil rund um Colonel Christopher Blair.
Sierras 'Phantasmagoria'-Reihe ging sogar noch einen Schritt weiter. Nicht nur, dass der erste Phantasmagoria-Sprößling ganze 7 CDs brauchte, führte er den Spieler zusätzlich auf ganz andere Pfade, zwischen Science-Fiction und Horror. Da - vor allem in Teil zwei - am Set hauptsächlich Schauspieler aus der Erotikbranche vor der Kamera standen, gab außerdem noch "Szenen ab 18". Gerade hier verschwand die Grenze zwischen Spiel und Film merklich, denn 'Phantasmagoria II' bot praktisch alles, was man von einem TV-Film erwarten könnte.
Die Schattenseiten des Filmes am PC
Doch es ist eben nicht alles Gold was glänzt. Wie bereits kurz erwähnt, gab es zu viele Billig-Produktionen, die für nichts anderes gedacht waren, als schnellstmöglich in den Hausmüll zu fliegen. Viele Entwickler rochen das große Geld mit ihren Spielfilmen am PC, doch die Fangemeinde nahm eben diese Spiele nicht an. Das Logo des 'Interactive Movie' litt sehr darunter, wenn es nicht sogar zum Ruin dieses Genres führte. Selbst einer der mir bekannten, letzten Produktionen im Jahre 1997 - 'Wing Commander Prophecy' - brachte nicht ansatzweise das Geld ein, was man mit den Vorgängern verdient hatte. Grund war sicherlich auch der Fakt, dass CD-Brenner keine Seltenheit mehr waren und die Spiele illegal raubkopiert wurden sind. Doch letzten Endes war es auch die negative Erfahrung des interaktiven Filmes, welche die User stets im Hinterkopf hatten.
Warum gibt es solche Spiele nicht mehr?
Diese Fragen stelle ich mir persönlich auch (viel) zu oft. Doch beim genaueren Nachdenken fallen mir mehrere Gründe ein: Zum Beispiel die eben erwähnten Schattenseiten. Gründe können auch die extrem hohen Kosten solcher Produktionen sein. Heutzutage geht es im Spiele-Business nur noch selten darum, Geschichten zu erzählen. Oft geht es doch einfach nur noch um das Geldverdienen. Wie viele (Ex-)Entwickler immer wieder betonen, haben sich die Zeiten geändert. Software-Riesen 'Ubisoft', 'Microsoft' oder 'Electronic Arts' beherrschen den Markt und haben mehr und mehr kleinere Firmen geschluckt. So haben die Entwickler Zeitpläne und Budgets, die straffer kaum sein können. Denn im heutigen Business geht es einfach darum, mit möglichst wenig Mitteln einen hohen Gewinn zu erzielen. Kostenintensive Spiel-Filme sind da fehl am Platz.
Ein weiteres Problem könnte auch die Entwicklung solcher Spiele an sich sein. Denn mit zunehmender Reife des Genres schien es mehr darauf anzukommen, einen guten Film zu drehen, als sich darauf zu konzentrieren, was das Produkt eigentlich ist: ein Spiel für den PC. Man saß oft Stunden vor dem Rechner und verbrachte den Großteil seiner Zeit nicht etwa mit dem Bedienen des Helden, sondern man saß zurückgelehnt und sah einen Film. Ein Klick mit der Maus und schon kam der nächste Clip. Absoluter Spitzenreiter hier 'Phatasmagoria II', wo praktisch jeder Klick eine Filmsequenz auslöste. Man klickt auf den Spiegel und Protagonist Curtis betrachtet sich im Spiegel, man klickt auf einen anderen Raum und man sah eine Sequenz, wie besagter Mann von einem Raum zum nächsten stolziert. Rätsel waren zwar vorhanden, aber in einigen Konkurrenzprodukten schienen die immer nebensächlicher zu werden.
Dennoch, die guten Produktionen, die ich bereits mehrfach erwähnt habe, waren richtige Perlen dieses Genres und sie sind es auch, die mich diese Zeit missen lassen. Zumal dieses (tote) Genre durch das immer weiter verbreitete Medium der DVD sicherlich heutzutage eine neue Spielwiese gefunden hätte.
Falko Tetzner _ 29.06.2005
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