Kolumne 05: Amiga (R)Evolution
Wer kennt dieses Spielsystem nicht: So viele Menschen hatten damit ihren Einstieg ins Computerspiel-Dasein und wie viele finden es heute noch zu schätzen: Amiga - ein Name, der einst eine ganze Generation von Gamern in Staunen zu versetzen vermochte. Doch, was ist aus diesem System nur geworden? Existiert es überhaupt noch?
Wie vielleicht einige von Euch in meinem Statement in 'Über uns' gelesen haben, bin ich ein alter Amiga-Veteran. Einer der wenigen wirklich überzeugten Amigianer, der sich erst im Jahre 2000 auch einen PC zugelegt, jedoch seine beiden Amigas noch längst nicht verschrottet hat. Wie könnte ich denn da ruhig schlafen? Als ich 1991 zum Amiga kam war mir dieses System komplett fremd. Ich hatte keinerlei Ahnung von Computern, wusste gerade mal so viel, dass diese Dinger existierten. 'Digger' war mein erstes Spiel, das ich auf einem 'Spectrum' (oder wie das Ding hieß) spielte, erst später machte ich dann Bekanntschaft mit einem C64, der ja auch für viele Nostalgiker immer noch ein unsterbliches System ist. Dort kamen dann Spiele wie 'Giana Sisters', 'Turrican', 'X-Out' und dergleichen auf die Bildschirme. Mann, was war das für ein Spaß, damals noch in einem Jugendfreizeittreff, hier bei uns in der Stadt. Man muss sich mal vorstellen, zehn bis fünfzehn Mann an einem System und jeder wartet darauf, bis er dran ist und schaut gebannt dem im Moment Spielenden zu. "Spring", "Achtung", "Oh, das war Pech - okay, bin ich nun endlich 'dran..." Ein Spaß, ich war fast jeden Tag in diesem Club, gehörte aber nie zu den Leuten, die dann die Schule vernachlässigten ( na ja, vielleicht ein bißchen... ). Es war wirklich eine tolle Zeit und jeden Tag träumte ich davon, endlich ein eigenes System zu besitzen, doch mein Vater kaufte im Sommer 1991 einen Amiga 500 für satte 879,- DM. Das weiß ich natürlich immer noch... Ich hatte keine Ahnung von dem System, bekam ein paar billige Spiele mit, die mich jedoch schon in Begeisterungsstürme versetzten, denn was war das? Musik, echte edle Stereo-Musik. Ich hatte mich schon so an das C64-Gepiepse gewöhnt, dass ich dachte, ich habe eine HiFi-Anlage vor mir stehen. Als ich dann später 'Turrican II' bekam - mein erstes echtes, geniales Spiel - ging ich nur noch in den Freizeitreff, um anzugeben - ich Böser. Nein im Ernst: Jeder wusste, dass ich diesen Computer hatte und jeder war neidisch darauf. Während nämlich der Original-Turrican der C64-Version kaum ein paar Piepser brachte, ertönte aus meinen Boxen die genialste und edelste Musik, die ich jemals gehört hatte. Zu dem Zeitpunkt wurde Chris Hülsbeck oder Rudolf Stember für mich ein Begriff.
Später dann ärgerte ich auch mit anderen Amigianern diverse PC-User, die ja meist nur PC-Speaker kannten und wenn's wirklich gut war, dann vielleicht noch Midi, aber das war auch schon alles. Kein Vergleich zum Sound des Amiga. Sehr gut spürbar vor allem in vielen Adventures, zu welchen ich dann auch schnell Kontakt bekam. 'Monkey Island', wow, was war das für eine Musikqualität, die die meisten PC-User neidisch zu mir herüber blicken ließ. Außerdem sah das Spiel auch weniger pixelig aus, lag sicherlich daran, dass der Amiga als Standard-Auflösung nur 320x200 Bildpunkte kannte (genannt LowRes) und der PC 320x256 (EGA). Diese 56 "Höhen-Pixel" machten anscheinend viel aus, zumindest war für mich die Amiga-Monkey-Island-1-Version die Krönung des damaligen Computerjahres 1991. Denn da war die Grafik wirklich schon die Speerspitze des Computermarktes und es war da schon ein Jahr alt. Die Grafik war echt so genial, dass ich unbedingt nach Melee Island wollte, weil es einfach so cool aussah. Selten hat ein Spiel derart soviel Atmosphäre ausgemacht, das würde heute kein Spiel schaffen. Schon komisch, dass man 320x200- bzw. 320x256-Welten vermisst, obwohl man heute 1600x1200-Welten haben kann. Die Nostalgie der alten Zeiten, in denen gute Grafik und tolle Story noch eine kleine Revolution waren, sind halt mit nichts Anderem heute zu vergleichen.
(v.l.n.r.) 'Turrican II' und 'X-Out' ... unvergessene Klassiker von 'Rainbow Arts' und 'Factor 5'
Ich begann mir Adventures ohne Ende zu kaufen, ich wurde fast süchtig nach diesen "Romanen" der Computerwelt und spielte eines nach dem anderen durch. Ganz oben waren bei mir natürlich die Lucasfilm-Adventures. Mit denen konnte einfach kaum eine andere Firma mithalten. Die landeten einen Hit nach dem Anderen. Viele Firmen versuchten dem nachzueifern und wurden dadurch zwar nicht besser, aber sie schafften es, sich eigene, neue Fangemeinden zu erschließen. Man denke nur an 'Revolution Software', 'Delphine Software' oder 'Sierra'. Meiner Meinung nach war das Erleben der Abenteuerwelten am Amiga am Intensivsten, da konnte kein PC mithalten. Das alles funktionierte nur mit Disketten, denn Festplatten kannte der Amiga zwar, doch die waren so teuer, dass man entweder auf Öl stoßen musste, um die Dinger bezahlen zu können, oder einen Monat auf die Nahrung verzichtete. Man legte Spielstandsdisketten an und wechselte während des Spielens mehrmals die Disks - heute eigentlich nicht mehr vorstellbar. Viele besaßen ja mehrere Laufwerke, ich selbst besaß "zum Schluss" drei von denen. Anfangs hatten die Spiele ja nur ein, zwei Disketten, doch dies steigerten gerade die Adventures in ungeahnte Höhen und 1992 wurde mit 'Monkey Island II' eigentlich ein "neues Zeitalter" eingeläutet, denn das hatte satte 11 Disketten. Damals kam einem das wie eine ungeheure Datenmenge vor. Heute ist sogar das Intro-Movie jeder Firma größer.
Die Welt des Amiga lebte richtig in den Jahren 1990-1994. Da war die Amigagemeinde stark wie nie und es schien als würde es ewig so weiter gehen. Mittlerweile gab es zwar auch viele PC-Anwender, jedoch konnte man dort nicht von einer Community sprechen. Die Amigianer waren irgendwie ein Volk für sich, wie man heute sicherlich sagen würde. Da gab es Zusammenhalt ohne Ende und im Nu hatte man zig Freunde. Leider aber wuchs durch diese beinahe familiäre Beziehung auch das größte und zerschmetternste Problem des Amigas: Das Raubkopieren. Es gab niemals ein System und es wird sicher nie wieder eines geben, welches so derart viele Raubkopierer zu verzeichnen hatte. Keiner kaufte das Spiel, dennoch hatte es jeder. Bestes Beispiel war wohl hier das Spiel "Turrican II". Es war ein extrem erfolgreiches Spiel, das heute noch so beliebt ist, wie am ersten Tag. Es wurden aber sage und schreibe nur schlappe 32.000 Mal verkauft. Für ein Computerspiel ist das eigentlich nichts, gar nichts sogar. Auf anderen Systemen gingen da rund 250.000 Stück über die Ladentheke. Das Problem des Raubkopierens wurde erst spät in den Amigianern manifestiert als es eigentlich schon zu spät war. Das Schlimme war auch, dass der Amiga kaum weiterentwickelt wurde und die Firmen, neben den immensen Verlusten durch die Raubkopierer, noch viel Geld in die Amiga-Konvertierungen stecken mussten. Dass dies nicht ewig gut gehen konnte, war wohl klar.
'Flight of the Amazon Queen' - eines der wenigen Adventures, das Mitte der 90er noch für Amiga portiert wurde - wenn auch ausschließlich nur in englisch
Die Amiga-Community wuchs aber in ungeahnte Höhen. Clubs und Vereine schossen wie Unkraut aus dem Boden ( entschuldigt das Wortspiel ). Allen voran 'APC&TCP', der größte Amiga-Club Deutschlands, selbst heute noch. Es gab außerdem noch Computer-Mags ohne Ende, die aber nicht in Druckform, sondern nur auf dem Rechner erschienen: Vielen Amiga-Veteranen sind sicherlich die Magazine 'NoCover' oder 'StarMag' noch ein Begriff. Ersteres gibt es sogar noch heute, wenn auch in einer etwas anderen Form.
Der Amiga blieb aber ab 1993 in einem Stadium stehen und ging keinen Schritt weiter. Die Gelder, die durch den Amiga eingenommen wurden, wurden in die Entwicklung von PC-Systemen gesteckt. Man muss sich dies mal vorstellen. 'Commodore' steckte die Gewinne in die Konkurrenz. Während der Amiga nicht weiter nach vorn ging, überholte der PC ihn letzten Endes und ab dem Jahre 1993 begann die Anzahl der Amiga-User zu schrumpften. Erst ein wenig, dann immer rapider. Schlimm war, dass man als standhafter Amiga-User dann von Leuten "aus den eigenen Reihen" verspottet wurde, die einst ebenso Amigianer waren. Ich denke, das waren die schlimmsten PC-User. Die Zahl sank und sank bis heute. Was nun noch übrig ist, ist der Mythos der Computermaschine schlechthin, den besten Rechner des 20. Jahrhunderts: AMIGA. Er ist aber noch lange nicht tot. Die Fangemeinde betreibt beispiellose Arbeit, macht alles, um den Rechner am Leben zu erhalten. Längst ist der Amiga erwachsener geworden und ist in Sachen Leistung in den Regionen der PC ohne Probleme einzuordnen. Leider aber fehlt ihm die Software. Der Amiga mutiert immer mehr zum Anwendersystem und in gestandenen Grafikerkreisen ist er ein Synonym für professionelle und effektive Grafikbearbeitung.
'Indiana Jones and the Fate of Atlantis' war das letzte 'LucasArts'-Adventure für den Amiga und erschien mit einem Jahr Verspätung hinter dem PC-Pendant
Ab 1993 ging es einfach nur noch bergab und eine Firma nach der Anderen verabschiedete sich. Ich kann heute immer noch den Schmerz spüren, wie eine Top-Firma ging, dann die nächste. Es war schlimm. Ich weiß noch genau, dass die Amiga-Version von 'Indiana Jones and the Fate of Atlantis' das bestverkaufteste Amiga-Spiel 1993 war. Scheinbar ein letzter Versuch der Amigianer, 'LucasArts' mittels guten Verkaufzahlen vom "Nichtgehen" zu überreden, aber es war zu spät, es half nichts. Heute sollten wir froh sein, dass 'Indy IV' überhaupt noch erschienen ist. Immerhin dauerte die Konvertierung rund ein Jahr.
Dem aber noch nicht genug, stoppten die Zeitschriftenverlage wahre Kultmagazine wie den beliebten 'Amiga Joker' oder die 'Amiga Games'. Alles zerfiel vor den Augen der User, doch sie wussten, dass sie einen hohen Anteil an diesem Zusammenbruch hatten. Viele Firmen trauern den alten Amiga-Zeiten nach, aber nur um der Nostalgie willen. Wirtschaftlich würde keiner mehr etwas mit diesem System zu tun haben wollen.
Der Amiga war ein Computererlebnis, das bis dahin ohne Beispiel war. Er war nicht nur irgend Teil der Computergeschichte, er WAR Computergeschichte. Der Amiga hat es nicht verdient, verspottet zu werden und ich hoffe, dass dieser Text dazu beigetragen hat, dass jeder die Amigianer nun ein Stück besser verstehen kann und ich schließe mit den Worten, die den Amiga immer viel Stärke gegeben haben: Amiga Rules.... Amiga Rules forever!!!
Falko Tetzner _ 21.02.2003
Kommentare Scarab:
Ich finde deine Kolumne über den Amiga sehr gut.Ich besitzte selber auch einen. Für alle die sich ernsthaft mit ihm Auseinandersetzten wollen empfhele ich das Forum www.gaeb.tk
(01.10.2003 _ 00:28:21)Anonymous:
Sehr richtig und gut gesagt. AMIGA war sicherlich das beste System zu dieser Zeit, aber eines stört mich ganz gewaltig.
Zitat:
Während nämlich der Original-Turrican der C64-Version kaum ein paar Piepser brachte, ertönte aus meinen Boxen die genialste und edelste Musik, die ich jemals gehört hatte
Zitat Ende.
Ich habe unglaublich viele Spiele auf diesem System gespielt, aber viele hatten ebenfalls einen wahsninns-sound. kein gepiepse sonder "richtige" musik.
Bestes Beispiel Turrican I und II...
leider ist der Soundtrack heute unglaublich teuer...
Beim Rest hast du Recht.
(18.01.2004 _ 08:15:00)Nils:
Folgendes möchte ich hinzufügen:
Seit letztem Jahr gibt es den Amiga One mit PowerPC.
Vor kurzem sind die ersten Versionen vom Amiga OS 4.0 herausgekommen.
Es geht also immer noch weiter!!
(02.03.2004 _ 12:28:13)Anonymous:
http://www.amigafuture.de
(04.04.2004 _ 17:28:13)
|